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Der Kampf gegen die Diskriminierung

Bild von Shamia Casiano via pexels.com

Wenn weltweit, von Singapur über Zürich bis nach San Francisco, Millionen von Menschen mit regenbogenfarbigen Accessoires friedlich auf die Strasse gehen, dann ist Pride Month. Wie nötig die Gay Prides auch im Jahr 2019 immer noch sind und um was es genau geht:

Der Pride Month — also Monat des Stolzes, oder Christopher Street Day, wie er in Deutschland und Österreich auch genannt wird — erinnert an die blutigen Aufstände gegen Diskriminierung von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten in der New Yorker Christopher Street vor 50 Jahren.

Als die Geschlagenen aufstanden und zurückschlugen

In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 fand in der Bar Stonewall Inn der sogenannte Stonewall-Aufstand statt. Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit trans- und homosexuellem Publikum. Besonders betroffen von Misshandlungen und Willkür waren Afroamerikaner und solche mit lateinamerikanischer Herkunft. Als sich an diesem Abend insbesondere Dragqueens und transsexuelle Latinas und Schwarze gegen die wiederkehrenden Kontrollen wehrten, war dies der Ausschlag für tagelange Strassenschlachten mit der New Yorker Polizei. Um des ersten Jahrestages des Aufstands zu gedenken, wurde das Christopher Street Liberation Day Committee gegründet. Seitdem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem Christopher Street Liberation Day, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer eine Demonstration für die Rechte von Schwulen und Lesben abzuhalten.

In den USA gilt dabei der Monat Juni als wichtigster Monat der LGBT+ Gemeinschaft. In Europa verteilen sich die Veranstaltungen über den Sommer hinweg, in der Schweiz fand die grösste Parade anfangs Juni in Zürich statt, im Juli und August folgten weitere Grossstädte auf dem Kontinent. Überall wird für weniger Diskriminierung demonstriert, immer noch können Millionen von Menschen kein freies Leben führen, weil ihre sexuelle Orientierung entweder von der Politik oder der Religion nicht geduldet oder gar bestraft wird.

Frei von Diskriminierung sind wir noch lange nicht

Und diese Diskriminierung beschränkt sich nicht nur auf arabische oder östliche Staaten, die einem als erstes in den Sinn kommen. In Deutschland wurde der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch erst 1994 abgeschafft. Der Artikel stellte sexuelle Handlungen zwischen Menschen männlichen Geschlechts unter Strafe. Die Schweiz war darin ihrem Nachbarstaat einige Zeit voraus: Seit 1942 ist Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr strafbar.

Länder wie Russland oder Türkei stehen in letzter Zeit häufiger in den Schlagzeilen, weil sie Menschen mit einer anderen als heterosexuellen Orientierung stark diskriminieren. In Russland sind zwar Handlungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts legal, jedoch wird Homosexualität von der Gesellschaft überwiegend tabuisiert. Dies wird durch ein im Jahr 2013 verabschiedeten Gesetz verstärkt. Dieses verbietet jegliche positiven Äusserungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet. Das hat zur Folge, dass seither auch keine Pride Veranstaltungen gestattet werden. Mit der gleichen Problematik sehen sich auch Menschen der LGBT+ Gemeinschaft in der Türkei konfrontiert. Seit der Gay Pride 2014 in Istanbul, wo sich über 100’000 Menschen beteiligten, wurde keine Parade mehr genehmigt. 2019 wurde die Veranstaltung mit Verweis auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und der “Volksgesundheit” verboten. Jedes Jahr gehen jedoch trotzdem Hunderte Menschen auf die Strasse und stehen der mit Tränengas bewaffneten Polizei gegenüber.

Hass gegen LGBT+ Menschen nimmt zu

Im Nachgang an die Pride in Zürich im Juni wurde in der Nacht ein homosexuelles Paar von drei Männer angegriffen. Es fielen Begriffe wie “Schwuchteln” oder “Seid ihr schwul?”. Beide Männer wurden mit Faustschlägen zu Boden geworfen. Die Angreifer hörten erst auf, als sich eine Freundin des Paares dazwischen stellte.

Es ist nicht der einzige homophobe Angriff in der Schweiz. Verlässliche Zahlen fehlen jedoch, da Angriffe aufgrund der sexuellen Orientierung vom Bund nicht erfasst werden. Die Dachverbände der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen haben deshalb in einem Bericht selber Vorfälle zusammengetragen, die sich im Jahr 2018 ereignet haben. Demnach wurden insgesamt 95 Angriffe gemeldet, fast zwei pro Woche. Die Spannbreite ist dabei sehr gross. Sie reicht von Beleidigungen und Spuckattacken über Anrempeln bis hin zu schweren körperlichen Angriffen, nach welchen die Opfer im Spital landeten. Die Dunkelziffer von solchen Übergriffen auf Schwule, Bisexuelle, Lesben und Transmenschen ist aber relativ hoch, da die meisten Opfer auf eine Anzeige verzichten. Laut dem Bericht der LGBT-Verbände wurde dabei häufig fehlendes Vertrauen in die Polizei als Grund genannt – aber auch Unwissen darüber, dass eine solche Tat strafrechtlich relevant ist.

In Zeiten, in denen im Internet alles gesagt werden kann, eine Beschimpfung schneller über die Lippen geht als eine Entschuldigung, immer mehr Menschen von ihrer eigenen Ansicht überzeugt sind und nicht mehr zusammen reden können, nimmt Hass gegen Minderheiten wieder zu. Es macht den Anschein, als wären die Bemühungen und Demonstrationen in den frühen 70er-Jahren für nichts gewesen, denn die neue Generation hat vergessen oder nie gelernt, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben hat. Egal wie und mit wem er lebt. Und solange Staaten sich immer noch so schwertun, eine gleiche Rechtsgrundlage für alle zu schaffen, sind wir im Thema Gleichberechtigung noch lange nicht am Ziel.

Apropos Gleichberechtigung: Vor über einem Jahr erschien auf rethink ein Statusupdate zur “Ehe für alle” in der Schweiz. Gerne hätten wir in der Zwischenzeit weiter darüber informiert, was sich geändert hat, leider sind die Fortschritte zu gering, um einen ganzen Artikel zu füllen. Im April veröffentlichte die Rechtskommission des Nationalrates einen ersten Vorentwurf für eine mögliche Gesetzesänderung. Wann diese jedoch vors Volk kommen soll, ist unklar. Denn die Frist, bis wann das Thema im Parlament diskutiert werden muss, wurde Ende Juni ein weiteres Mal verlängert. Nun haben die Parlamentarierinnen bis im Sommer 2021 Zeit.

50 Jahre sind es jetzt her, seit mutige Trans-, Bi-, und Homosexuelle Menschen auf die Strasse gingen und für Rechte kämpften, die ihnen als gleichwertige Menschen zustehen. Mussten sie damals gegen Polizeigewalt kämpfen, ist es heute die Gesellschaft, die noch nicht bereit scheint für eine faire, gleichberechtigte Welt. Solange weiterhin “schwul” das Schimpfwort Nummer 1 auf dem Schulplatz ist, solange händchenhaltende Menschen angepöbelt oder gewalttätig angegriffen werden, solange Menschen ihre sexuelle Orientierung verstecken müssen, weil in ihrem Land immer noch die Todesstrafe gilt, solange Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung von grundlegenden Sachen wie der Witwenrente ausgeschlossen werden, solange haben wir kein Recht, uns als fortschrittliche Gesellschaft zu bezeichnen. Solange die LGBT+ Gemeinschaft für die ihnen zustehenden Rechte kämpfen muss, solange dieser Gemeinschaft vorgeworfen wird, doch schon genug Rechte zu haben, dass zum Beispiel die Ehe für alle nicht nötig sei, solange braucht es Gay Prides. Solange braucht es Sommer für Sommer Millionen von Menschen, die friedlich zeigen, was sie sind. Nämlich Menschen. Punkt, fertig, aus.


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