Israel und der ESC
Zehntausende Menschen sind nächste Woche in Tel Aviv zu Gast, um dem weltweit grössten Musikspektakel beizuwohnen. Über 200 Millionen Menschen werden es am Fernseher miterleben. Doch der Eurovision Song Contest 2019 war in diesem Jahr alles andere als unkompliziert. Weder für die Veranstalter, das Gastgeberland noch die Bevölkerung.
Vor einem Jahr war es für viele hauptsächlich überraschend, als die Israelin Netta Barzilai den Songcontest gewann, und die Austragung im Jahr 2019 ins heilige Land holte.
Ein Contest, der für seine akzeptierende Art bekannt ist. Oder wie das ZDF in einer Dokumentation sagte:
Wie Israel, das mitten in mehr als einer Krise steckt, diesen Event organisieren soll, war vielen unklar.
Die Regierung um den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hätte den ESC gerne in Jerusalem durchgeführt. In jener Stadt, die sowohl von Israel, wie auch vom Staat Palästina als Hauptstadt beansprucht wird. Dies hätte einige politische Probleme verursacht. Der Veranstalter, die Europäische Rundfunkunion, kurz EBU, bemängelte an Jerusalem jedoch die fehlende Infrastruktur. Es wäre unmöglich gewesen, die Journalisten, Teilnehmer und Zuschauer in Hotels unterzubringen.
Also viel die Wahl auf die zweitgrösste Stadt im Lande, Tel Aviv. Von einer Einwohnerin als “offen, sexy, schwulenfreundlich und Hipster-Stadt” beschrieben. Also der perfekte Standort für den ESC?
ESC vs. jüdische Gebote
Das Finale des Songcontests findet traditionsgemäss am Samstagabend statt. Der Samstag ist aber für die jüdischen Israelis, welche im Land nicht untervertreten sind, der heilige Schabbat. Dies ist der Ruhetag, an welchem vorallem ultraorthodoxe Juden keiner Tätigkeit nachgehen. Es wird nicht gearbeitet, kein Lichtschalter bedient und auch keine Medien konsumiert. Dies steht im krassen Widerspruch zu den mehreren Tausend Menschen, die nächsten Samstag am Morgen mit den Proben für das Finale beginnen und um 21 Uhr eine Show mit zehntausenden Menschen in die Welt senden. Mehrere Bewegungen versuchen den ESC zu boykottieren und darauf aufmerksam zu machen, dass eine Ausstrahlung gegen die jüdische Gebote verstösst. Eine Programmänderung sei jedoch nicht machbar. Der Samstagabend gilt in allen europäischen Ländern als absolute PrimeTime und der Sendeplatz wird auf Monate hinaus reserviert. So ist zum Beispiel bereits jetzt die Show nächstes Jahr bei den Fernsehstationen im Programm eingeplant.
Der Schabbat stellt die Veranstalter vor ein weiteres Problem: Am Samstag wird in Tel Aviv kein öffentliches Verkehrsnetz betrieben. Es müssen also für die Zuschauer eigene Busse aufgetrieben werden.
Und die Sicherheit?
Eine Frage, die aktuell auch die Menschen vor Ort beschäftigt. Während den ersten Proben diese Woche wurde weniger als 50 Kilometer Luftlinie von Tel Aviv entfernt, ein Raketenangriff verübt. Israel möchte den Event nutzen, um sich als perfekter touristischer Gastgeber zu präsentieren. Die radikal-islamische Hamas will den Israelis die Suppe versalzen und den Wettbewerb nutzen, um auf die palästinensische Sache hinzuweisen. Es ist davon auszugehen, dass die Gewalteskalation dazu dienen sollte, kurz vor dem ESC Zugeständnisse von der israelischen Regierung zu erpressen. Denn eines ist klar: Die Hamas wird nicht so dumm sein, die Weltöffentlichkeit gegen sich aufzubringen, indem sie europäische ESC-Touristen in Gefahr bringt.
Mittlerweile ist wohl auch der Ministerpräsident froh, den Songcontest in Tel Aviv statt Jerusalem durchzuführen. Nichtsdestotrotz bleibt es keine unumstrittene Veranstaltung und davon könnte auch der Zuschauer zu Hause etwas mitkriegen. Auch wenn die EBU verzweifelt versucht, jegliche politische Themen aus dem Contest zu halten, funktioniert das nicht immer. Und schliesslich wollen die Bewohner des Gaza-Streifens auch auf ihre Probleme aufmerksam machen, während in der Expo Tel Aviv leichtgängie Popsongs zelebriert werden. Und egal ob Tel Aviv nun als schwulenfreundlichste Stadt im nahen Osten gilt oder nicht, den ESC in einem krisengeplagten Land auszutragen, wird immer einen faden Beigeschmack haben.
Mit Informationen von:
zdf.de
eurovisionen.de
eurovision.de
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