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Weekly, KW24

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.

Wir können uns glücklich schätzen, wurde das Internet erfunden. Der Depesche und sein Pferd hätten es in dieser Hitze wohl nicht bis zu dir geschafft, um dir das Weekly vorzutragen. 

Item: Hier folgen die heissesten Nachrichten der Woche:

Grossbritannien liefert Julian Assange an die USA aus.

Die britische Regierung hat die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA bewilligt. Nach Regierungsangaben unterzeichnete Innenministerin Priti Patel am Freitag den Auslieferungsbefehl. Vor der US-Justiz soll sich Assange wegen Spionagevorwürfen verantworten.

Nach jahrelangem Hin und Her vor verschiedenen Gerichten war die britische Regierung nun am Zug. Der High Court in London hatte Ende vergangenes Jahr ein zuvor wegen Suizidgefahr erlassenes Auslieferungsverbot für Assange wieder aufgehoben. Das oberste Gericht (Supreme Court) hatte eine Berufung dagegen zuletzt abgelehnt. Ende April hatte der Obersten Gerichtshofs Großbritanniens der Auslieferung zugestimmt und an Innenministerin Patel verwiesen.

Hintergrund:

In den USA ist Assange wegen Spionage und der Veröffentlichung von Hunderttausenden geheimen Dokumenten auf der Enthüllungsplattform Wikileaks angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning, Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.
Bei einer Verurteilung in den USA drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft. Der 50-Jährige und seine Unterstützer haben die Verfahren immer wieder als politisch motiviert kritisiert. Sie befürchten, dass er trotz anderslautender Zusicherungen aus Washington in ein Hochsicherheitsgefängnis kommen wird.

Was jetzt passiert:

Assange wird zunächst mal nicht sofort in ein Flugzeug Richtung USA gesetzt. Sein Anwaltsteam in Grossbritannien hat noch eine letzte Option, die es auch versuchen wird - die Berufung vor dem High Court. Weil die Richterin in der ersten Instanz den USA in allen 17 Anklagepunkten Recht gegeben hatte, ist diese erste richterliche Entscheidung nun wieder anfechtbar. 

Damit geht jedoch alles wieder von vorne los. Julian Assanges Anwälte werden nun zumindest hinterfragen können, inwieweit die Auslieferung politisch motiviert ist, was eine Auslieferung durch Grossbritannien eigentlich ausschliessen würde. Für Assange bedeutet das nur eine weitere quälende Verlängerung seines Märtyriums, er wird aller Voraussicht nach weitere zwei bis drei Jahre in Einzelhaft im Hochsicherheitsgefängnis in Belmarsh verbringen.

Hintergrund:

Mit der unterschriebenen Auslieferung von Assange ignoriert die britische Innenministerin die eindringlichen Appelle und Warnungen praktisch aller großen Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen der westlichen Welt, dass dieser Fall den grundlegenden Rechten der Pressefreiheit irreparablen Schaden zufügen wird.

Edward Snowden - ehemaliger CIA-Mitarbeiter und Whistleblower, lebt heute im Exil in Moskau, um einer Verurteilung der USA zu entgehen - kommentierte auf Twitter, dass die Entscheidung ein erschreckendes Symbol dafür sei, “wie weit das Engagement der britischen und amerikanischen Regierung für die Menschenrechte zurückgegangen ist” und fragte: “Wie können wir da noch autoritäre Übergriffe im Ausland verurteilen?”

Der ehemalige ecuadorianische Aussenminister kritisierte am Freitag die englische Innenministerin Priti Patel hart:  „@pritipatel’s Entscheidung, grünes Licht für die Auslieferung von Julian Assange zu geben, ist grausam und geradezu sadistisch. Ihr Ziel ist es, sich bei den USA anzubiedern und Journalisten Angst einzujagen. Die Botschaft ist klar: Wenn ihr euch nicht an die Regeln haltet, wird euer Leben zerstört. Tragisch und verabscheuungswürdig!“

Fehlende Gelder - UNO streicht Hungerhilfe für 1,7 Millionen Menschen im Südsudan.

Das Welternährungsprogramm (WFP) teilte am Dienstag mit, dass mangels Spenden Essensrationen für 1,7 Millionen Menschen im Südsudan ausgesetzt werden müssen. Das verfügbare Geld der UNO-Organisation reiche nur noch für 4,4 Millionen Menschen, berichtete Adeyinka Badejo-Sanogo, amtierende WFP-Direktorin im Südsudan, aus der Hauptstadt Juba mit. 

Die Rationen mit Getreide, Hülsenfrüchte, Speiseöl und Salz hätten im vergangenen Jahr schon einmal halbiert werden müssen. Zwei Drittel der gut elf Millionen Menschen brauchten eigentlich Unterstützung. “Wir arbeiten, um eine Hungersnot abzuwenden”, sagte Badejo-Sanogo. 

Hintergrund: 

Der Binnenstaat in Ostafrika erlangte im Jahr 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan. Das Land belegt mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 228 US-Dollar den weltweit letzten Platz. 

Südsudan kämpft mit zahlreichen Krisen gleichzeitig. Dazu gehören die Folgen eines bis 2018 dauernden Bürgerkriegs, schwere Überschwemmungen, Dürren in anderen Landesteilen sowie steigende Lebensmittelpreise weltweit in Folge des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Durch den gestiegenen Weizenpreis haben auch die Ernährungsprogramme der Vereinten Nationen höhere Ausgaben. Ein Problem ist aber auch, dass die UNO und ihre Hilfsprogramme seit Jahren oft nicht die Gelder überweisen bekommen, die ihnen Staaten auf Geberkonferenzen zuunächst in Aussicht stellen. 

Die WFP benötigt eigenen Angaben zufolge für dieses Jahr rund 423 Millionen Franken für den Südsudan. 


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“Friedlichster Krieg” der Welt ist beendet.

Er galt als die friedlichste Auseinandersetzung zwischen zwei Ländern, war als Whisky-Krieg bekannt und ist seit dem 14. Juni 2022 offiziell beendet.  

Konkret geht es um die 1,25 Quadratkilometer “grosse”  Hans-Insel, auf der es weder Einwohner:innen noch bekannte Rohstoffe gibt. 

Die Hans-Insel liegt in der Nares-Strasse zwischen Gröndland und Kanada. Letzteres beanspruchte die Insel seit 1880, Dänemark beanspruchte ab 1920 ganz Grönland und zählte dazu eben auch die Hans-Insel. Den Interessenkonflikt haben die beiden Staaten aber erst 1973 bei einem Grenzabkommen bemerkt. Auf der 1973 geschaffenen Karte liegt die Hans-Insel direkt auf der Grenze, die auf der Insel aber nicht gezogen wurde. 

In den 1980er-Jahren errichtete Kanada ein Lager für wissenschaftliche Untersuchungen. 1984 setzte der dänische Grönlandminister eine dänische Flagge auf der Insel; Kanada protestierte dagegen. Seither reisten beiden Länder abwechselnd auf die Insel und hinterliessen dort jeweils ihre Flaggen und eine Flasche Schnaps (einen Magenbitter namens Gammel Dansk respektive kanadischen Whisky) die dann von der Gegenseite beim nächsten Besuch abgeräumt wurden. 

Nachdem 2018 eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, um den fast 50 Jahre andauernden  Konflikt zu beenden, konnte sich die beiden Staaten am Dienstag nun einigen und unterzeichneten eine Grenzvertrag, durch den die Hans-Insel entlang einer mittig gelegenen Schlucht aufgeteilt wurde. Durch den Vertrag erhalten Kanada und das Königreich Dänemark eine zweite Landesgrenze, Grönland sogar die Erste.

"Ich glaube, es war der freundlichste aller Kriege", sagte Kanadas Aussenministerin Mélanie Joly bei einer Zeremonie in Ottawa zusammen mit dem dänischen Aussenminister Jeppe Kofod und dem grönländischen Premierminister Múte B. Egede. Die Hans-Insel habe im vergangenen halben Jahrhundert 26 kanadische Aussenminister:innen beschäftigt, bemerkte Joly: "Ja, Sie können lachen."

Wie es sich gehört, tauschten die beiden Staaten - zum vielleicht letzten Mal - eine Flasche Schnaps aus. 

Die Lage in der Ukraine.

Leider verlaufen nicht alle Konflikte in der Welt so friedlich und humorvoll wie im Nordatlantik. Daher folgt hier eine Zusammenfassung der Entwicklungen im russischen Angriffskrieg in der Ukraine:

Russische Truppen schnitten die Stadt Sjewjerodonezk in der Region Luhansk mit der Sprengung der letzten Brücke komplett ab. Eine Evakuierung der in der Stadt befindlichen Zivilist:innen sei nun unmöglich, sagte der Gouverneur der Region. Erstmals seit Wochen machen die russischen Truppen wieder Fortschritte in der nördlich von Sjewjerodonezk gelegenen Region um die Millionenstadt Charkiw. Auch im Süden der Ukraine kam es wieder zu russischen Angriffen.

Der Ukrainische Präsident Wolodimir Selenski forderte erneut schwere Waffen von den NATO-Mitgliedstaaten, vor allem Raketenabwehrsysteme. Laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium sollen bislang weniger als zehn Prozent der von der Ukraine geforderten Waffen die Streitkräfte erreicht haben.

Der deutsche Bundeskanzler Scholz ist am Donnerstag zum ersten Mal in Richtung Ukraine aufgebrochen. Gemeinsam mit dem Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi trafen Scholz auf Rumäniens Präsident Klaus Johannis. Oleksij Arestowytsch, Berater des ukrainischen Präsidenten, vermutete, sie könnten einen Friedens­plan mitbringen, und wies diese Möglichkeit bereits im Vorfeld energisch zurück. Selenski bedankte sich für die Solidarität, Olaf Scholz twitterte, die Europäer stünden fest an der Seite der Ukraine.

Zum Thema EU-Beitritt sagte Macron, die vier Staats- und Regierungschefs “unterstützen den Kandidatenstatus der Ukraine”. Trotz Drängen von ukrainischer Seite gilt eine EU-Mitgliedschaft im “Schnellverfahren” für die Ukraine als ausgeschlossen. Die 27 bisherigen EU-Mitgliedstaaten müssten erst zustimmen, bevor dann Beitrittsverhandlungen beginnen können.


Redaktionsschluss: 17:00
Weekly 24/2022

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