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Weekly, KW47

Guten Abend aus der rethink-Redaktion. Es ist Abstimmungssonntag, es ist der 28. November und es ist Zeit für den Wochenrückblick:  

Wir sprechen heute über erfolgreiche und gescheiterte Regierungsbildungen, über teure Vögel und Walliser. Genau, Walliser_innen kommen auch vor. 

Deutschland bekommt eine neue Regierung.

Am Mittwoch stellte die Ampel-Koalition ihren Vertrag vor, der die Politik der nächsten vier Jahren definieren soll. Die Ampel – basierend auf den Parteifarben Rot (SPD), Grün (Bündnis90/Die Grünen) und Gelb (FDP) - verhandelte seit den Bundestagswahlen Ende September hinter verschlossenen Türen.

Hintergrund:

Im deutschen Politsystem wird alle vier Jahre das Parlament, also der Bundestag, gewählt. Basierend auf den Mehrheiten dort, verhandeln die Parteien untereinander über eine Zusammenarbeit in der Regierung. Bei der Wahl im September gewann die Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) deutlich, während die jetzige Kanzlerin-Partei, die CDU/CSU, die grössten Verluste ihrer Geschichte einfuhr.

Die drei Parteien SPD, Grüne und FDP einigten sich nach Vorgesprächen, dass sie zu dritt eine Regierung stellen wollen und begannen vor rund zwei Monaten mit den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag. Darin will jede Partei ihre eigene Politik am optimalsten platziert sehen, um die abgegebenen Wahlversprechen einzulösen.

Was im Koalitionsvertrag steht:

Die Ampel-Koalition sieht wie zu erwarten die Bewältigung der Corona-Pandemie als "vordringlichste" Aufgabe. Weiter habe die Erreichung der Klimaschutzziele von Paris oberste Priorität innerhalb der nächsten Legislaturperiode. "Idealerweise" soll der Ausstieg aus dem Kohlestrom auf 2030 vorgezogen werden, statt dem bisher beschlossenen Enddatum 2038. 

Weiter soll das Wahlalter für die Wahl des Bundestags auf 16 Jahre gesenkt werden, der gesetzliche Mindestlohn von 9.60 auf 12 Euro erhöht werden, und die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene "zu Genusszwecken" in lizenzierten Geschäften eingeführt werden. Dieses Gesetz soll nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen evaluiert werden. 

Das berühmt berüchtigte Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden, wobei einige Bedingungen geändert werden sollen. 

Was jetzt passiert:

Alle drei Parteien legen den Koalitionsvertrag in den nächsten Tagen ihren Parteitagen zur Abstimmung vor, nach deren (wahrscheinlichen) Annahme steht einer Regierungsbildung nichts mehr im Wege.  
Einschätzung gehen von einer Vereidigung des neuen Kabinetts in der Woche des 6. Dezember aus.  

Wer welche Posten besetzen wird, ist noch nicht abschliessend bekannt. Sicher ist der Kanzlerstuhl mit Olaf Scholz (SPD) besetzt. Vizekanzler wird der Grünen Co-Chef Robert Habeck.  

FDP-Chef Christian Lindner wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Finanzministerium übernehmen, während die Grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock das Auswärtige Amt beerbt. 

Schweden bekam eine neue Regierung – und verlor sie am selben Tag wieder.

Die 54 Jahre alte Sozialdemokratin Magdalena Andersson war am Mittwochvormittag als erste Frau in Schweden als Ministerpräsidentin gewählt worden. Allerdings nur knapp. Die Abstimmung fiel 174 zu 174 Stimmen aus und da eine absolute Mehrheit gegen sie damit um eine Stimme verfehlt worden war, wurde Andersson so erste Ministerpräsidentin - für einen Tag zumindest.

Hintergrund:

Die ihr unterstellte Regierung aus Sozialdemokrat_innen und Grünen, hat im Parlament zwar keine Mehrheit, wird aber von der Linkspartei und der bürgerlichen Zentrumspartei toleriert.  

Allerdings zerbrach ihre Minderheitsregierung bereits am Mittwochnachmittag wieder, da der vorgestellte Haushaltsentwurf keine Mehrheit fand, dagegen der Entwurf der bürgerlichen Opposition – an dem auch die rechtspopulistische Schwedendemokraten mitgewirkt hatten.  

Das war der Auslöser, dass die Grünen ankündigten, die Regierung zu verlassen. Es sei nicht ihre Aufgabe, in der Regierung einen Haushalt umzusetzen, an dem die Schwedendemokraten mitgewirkt hätten. Kurz nach dieser Ankündigung bat Ministerpräsidentin Andersson um ihre Entlassung.

Was jetzt passiert:

Magdalena Andersson wird sich morgen Montag erneut im schwedischen Reichstag zur Wahl stellen, wie der Parlamentspräsident am Donnerstag mitteilte. Zuvor hatte er mit den Spitzen der Parteien über die verfahrene Diskussion beraten und Andersson schliesslich wieder als Ministerpräsidentin nominiert. Der Parlamentspräsident Andreas Norlén kritisierte dabei die Vorgänge an diesem Mittwoch. Er befürchte, dass so das Vertrauen der Bevölkerung in den Reichstag und die politischen Parteien beschädigt werden könnte. Das lasse die Politik unberechenbar und unvernünftig erscheinen.

Andersson dürfte wahrscheinlich mit einer Einparteienregierung antreten, bestehend nur aus ihrer sozialdemokratischen Partei. Diese verfügen über 100 der 349 Sitze im Parlament. Die Grünen hatten schon angekündigt, sie bei der (erneuten) Wahl zur Ministerpräsidentin zu tolerieren. Linkspartei und Zentrumspartei könnten dies wohl ebenfalls machen.


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F-35 Jets werden teurer als geplant.

Nach der Bereinigung der Verträge mit der US-Regierung ist der genaue Kredit für den umstrittenen Kampf der 36 US-amerikanischen Kampfjets bekannt. Und der liegt über den vom Stimmvolk im September 2020 bewilligten sechs Milliarden Franken.

VBS-Chefin Viola Amherd hatte bisher die Kosten mit 5,068 Milliarden Franken angegeben und somit das F-35 System als günstigstes Angebot beworben. Nun hiess es am Freitag, dass dieser Betrag zu tief angesetzt war. 6,035 Milliarden Franken sollen die Flieger exakt kosten. Die US-Regierung habe die entsprechenden "Letters of Offer and Acceptance" einseitig unterschrieben. Sobald die Schweiz die Beschaffungsverträge ebenfalls unterschreibe, träten diese in Kraft.

Hintergrund:

Für die Berechnung der Kredite habe man einen Wechselkurs von 95 Rappen pro US-Dollar angenommen, teilten die Fachexperten mit. Dies sei gemäss heutigem Stand eine konservative Berechnung.

Im Juni war der Bundesrat von Kosten in Höhe von 5,068 Milliarden Franken ausgegangen, darin sei die Teuerung in den USA aber nicht enthalten gewesen, sagte Siegenthaler. Bei den 15,5 Milliarden Franken Gesamtkosten für die Erneuerung der Luftwaffe (inklusive Bodluv) habe man die Teuerung hingegen berücksichtigt.

Die Offerten für die Betriebskosten seien für die kommenden zehn Jahre verbindlich, hiess es weiter. Würde der Finanzrahmen danach gesprengt, müsse das VBS die Zusatzkosten übernehmen.

Was jetzt passiert:

Die schweizerische Unterschrift dürfte aber noch eine Weile auf sich warten lassen. Marc Siegenthaler, stellvertretender Generalsekretär Chef Ressourcen VBS, gab an der Medienkonferenz an, erst nach einer allfälligen weiteren Volksabstimmung unter das Dokument setzen.

Im August gaben die "Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee" (Gsoa), SP und Grüne bekannt, eine Initiative gegen den Kauf der F-35 Kampfjets zu lancieren.  

Für das Initiativkomitee sei der Jet unbrauchbar für die Bedürfnisse der Schweiz, zu gross und zu teuer. In allen Ländern, welche die F-35 gekauft haben, seien die Kosten für Betrieb und Unterhalt im Nachhinein explodiert. 
Ausserdem: Die Abstimmung über den Kauf von neuen Kampfjets wurde mit nur 8'515 Stimmen Unterschied angenommen. Unter diesen Umständen scheine die Wahl des grössten und am wenigsten getesteten Systems, das ausserdem für den Angriff tief im Feindesland und nicht für die Aufgaben der Luftpolizei konzipiert sei, ungeeignet.

Die Frist für die 100'000 benötigten Unterschriften läuft am 1. März 2023 ab. Und erst wenn genügend Unterschriften eingereicht wurden und die Initiative offiziell zustande gekommen ist, kann der Bundesrat einen Abstimmungstermin definieren.

zum Schluss:

Die vorläufigen Abstimmungsresultate von heute:

  • Pflegeinitiative: Angenommen von Volk und Ständen.

  • Justizinitiative: Abgelehnt von Volk und Ständen.

  • 2. Referendum Covid19-Gesetz: Angenommen von Volk (Ständemehr nicht notwendig)

Angaben ohne Gewähr auf Vollständig- und Korrektheit. Redaktionsschluss um 15:45 Uhr.


Und damit genug Politik für heute:

Bild: SRF

Um die Woche ausklingen zu lassen, einmal abzuschalten und vielleicht sogar ein bisschen von Reisen in exotische Gebiete zu träumen, habe ich dir heute eine Serien-Empfehlung:

"Tschugger", die erste gemeinsame Produktion von SRF und der deutschen Streaming-Plattform Sky spielt im Wallis (das besagte exotische Gebiet), bietet Cowboy-Feeling und trashigen Buben-Humor.

Köpfe hinter der Serie sind unteranderem David Constantin (auch vor der Kamera) und Mats Frey (wer "How to sell Drugs online (fast) auf Netflix kennt, der kennt auch seine Screenwriting-Künste), zu diesen zwei kommt noch ein ganzer Writer's Room von SRF dazu.

Der Plot hört sich simpel und auch ein bisschen typisch schweizerisch an: Die Arbeit der Walliser Kantonspolizei beschränkt sich auf beschauliche Nichtigkeiten wie entlaufene Schafe und Präsenz am Dorffest. Bis plötzlich ein unfassbarer Mordversuch die Polizist_innen aus dem Tiefschlaf reisst. Doch bevor sich das "Tschugger"-Ermittlungsduo Bax und Pirmin auf den Fall stürzen können, steht schon die Bundespolizistin Annette (Anna Rossinelli) vor Ort und übernimmt. Und das als "Üsserschwizerin". Polizeichef Biffiger weiss aus Erfahrung: Nicht allem aus Bern ist zu trauen.

Trotz dem eher klassischen Plot soll die Serie ein grosser Spass sein. Dafür sprechen das relativ hohe Budget, die erfahrenen Autor_innen und neue Gesichter, die noch nie in Schweizer Serien zu sehen waren.
Zumindest SRF und Sky sind überzeugt. Die zweite Staffel ist bereits abgedreht.

Schauen:

ab heute, 21:45 Uhr auf SRF1, jeweils Sonntags. Online bereits alle Folgen auf “Play Suisse” und “Sky”.


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