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Macht die Schweiz endlich vorwärts?

Letzen Donnerstag stand auf dem Protokoll der Rechtskommission des Nationalrates zum wiederholten Male das parlamentarische Geschäft mit der Nummer 13.468. Ein Geschäft, das seit Jahren für Gesprächsstoff sorgt.

Bereits die Nummer 13.468 lässt es vermuten: Seit fast 5 Jahren wartet das Parlament und die Schweizer Bevölkerung auf eine Entscheidung. Doch um was geht es in diesem Geschäft, das seit Dezember 2013 in Bundesbern herumwandert? Um die Ehe für alle.

13.468 ist eine parlamentarische Initiative der Grünliberalen Fraktion, die zum Ziel hat, das Konstrukt "Ehe" für alle Menschen zu öffnen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orierntierung.

Nachdem die Rechtskommission des National- und Ständerates die Initiative für gültig erklärt hatten, ging es im Juni 2017 in den Nationalrat. Und dieser beschliess...nichts. Ohne ein Ergebnis wurde die Frist für die Entscheidung bis zur Sommersession 2019 verlängert.

Nun nahm also diese Woche die Rechtskommission des Nationalrates, bestehend aus 20 NationalrätInnen, das Thema noch einmal auf und erzielte einige erfreuliche Fortschritte.

Mit 16 zu 9 Stimmen wurde der Grundsatzentscheid getroffen, für die Öffnung der Ehe auf eine Verfassungsänderung zu verzichten und die Umsetzung auf Gesetzesstufe anzugehen. Das wiederum bedeutet, dass voraussichtlich keine Volksabstimmung nötig sein wird. Und das bedeutet, dass für die «Ehe für alle» bessere Chancen bestehen.

 

 

Unklare Rechtslage

Mittels einer Umsetzung auf Gesetzesstufe würde das Parlament eine unklare Rechtslage definitiv klären. Die Bundesverfassung, das Grundgerüst unserer Demokratie, legt in Artikel 14 lediglich fest, dass das Recht auf Ehe und Familie gewährleistet sei.

Kein Gesetz der Schweiz schliesst gleichgeschlechtliche Partner explizit vom Institut Ehe aus. Im Gegenteil: Artikel 8 in der Bundesverfassung schreibt vor, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand wegen seiner Lebensform diskriminiert werden dürfe.

Doch warum können gleichgeschlechtliche Paare auf dem Zivilstandesamt nur eine eingetragene Partnerschaft – die notabene rechtlich und gesellschaftlich nicht der Ehe gleichgestellt ist – eingehen?

Die Antwort ist enttäuschend lächerlich: in der Botschaft des Bundesrates, die dieser 1995 dem Gesetzentwurf über die Änderung des Zivilgesetzbuches angeheftet hatte. Die Botschaft ist ein erläuternder Bericht, der die Absicht der Regierung ausformuliert.

Der Satz hiess: «Die Heirat zwischen gleichgeschlechtlichen Personen bleibt ausgeschlossen.» Und er wirkt so antiquiert, dass man ihn in Fraktur setzen möchte.
Der Bundesrat zitiert mit obigem Satz übrigens das Bundesgericht in Lausanne. Es hatte in einem Entscheid aus dem Jahr 1993 den «Ordre public» – also die öffentliche Ordnung – als gefährdet gesehen.

Dies sei der Fall, «wenn fundamentale Rechtsgrundsätze verletzt sind, der fragliche Akt mit der schweizerischen Rechts- und Wertordnung schlechthin vereinbar ist», wie die Bundesrichter in ihrer Begründung geschrieben hatten.

Bloss: Ist eine Ehe zwischen Frau und Frau heute tatsächlich so unvereinbar mit unserer geltenden Wertordnung?

Wenn wir Westeuropa anschauen, dann wirkt die Schweiz wie veraltete Wüste inmitten liberalen Nachbarstaaten. Und, in all diesen Ländern, welche die Ehe für alle Menschen geöffnet haben, ist nie die öffentliche Ordnung gefährdet worden. Im Gegenteil: Europäische Länder haben heutzutage wesentlich andere und wichtigere Themen auf dem Programm als solch eine kleine, aber doch wichtige Änderung im Gesetz.

Österreich öffnet die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare am 1. Januar 2019 (Quelle: oe3.orf.at)

Häppchenweise in die Zukunft ?

Die Rechtskommission entschied neben der Umsetzung durch eine Gesetzesänderung, die Initiative in 2 oder mehreren Schritten durchzuführen. Sie ist der Ansicht, dass die Öffnung der Ehe damit rascher als bei einer Gesamtrevision erfolgen und in Kraft treten kann. Weiter möchte sie damit vermeiden, dass die Blockierung einzelner heikler Bereiche, wie z.B. die Hinterlassenenrenten und der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin, die ganze Vorlage zum Scheitern bringen.

Diese Vorgehensweise stiess jedoch nicht auf Begeisterung. Die Befürworter fordern zurecht schon lange, dass endlich vorwärts gemacht werden müsse und auf solch eine verlängernde Taktik verzichtet werden solle. Die Gegner hingegen, sehen gerade hierin die so berühmte «Salami-Taktik». Hier geht es jedoch nicht um die Verkaufstaktiken von Salami eines Bergbauern, sondern um die Öffnung der Ehe für alle. Aus Sicht der Gegner sollen sich gleichgeschlechtliche Paare mit der eingetragenen Partnerschaft zufriedengeben.

Dass nun auch die Ehe auf dem «Haben wollen» Zettel steht, und danach das Adoptionsrecht, Recht auf Fortpflanzungsmedizin oder gar die Weltherrschaft, das stösst den mehrheitlich bürgerlichen und christlichen Gegner sauer auf. Denn diese sehen in gleichgeschlechtlichen Paaren keine «Natürlichkeit» und so sollen diese wohl oder übel auch keine «normale» Ehe eingehen dürfen oder gar behaupten, dass Schwule und Lesben eine «normale» Familie führen können.

Wir Schweizer haben wohl noch einen langen Weg vor uns, bis die Ehe für alle auch in der Schweiz angekommen ist.
Aber wenn sie kommt, dann gibt es ein Fest. Eine grosses Fest. Ein Fest mit Regenbogenfahnen, Beyoncé Hits, stolzen Vätern mit lebendigen Kindern auf den Armen. Und ein Fest mit Salami!


Mit Inhalten aus:
republik.ch
Medienmitteilung RK-Nationalrat

Unterstützung für die "Ehe für alle" :
Operation Libero

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