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No-Billag Initiative

Es ist wieder so weit, das Schweizer Stimmvolk wird an die Urne gebeten. Und am 4. März geht es nicht um irgendeine kleine, unwichtige Vorlage, sondern um eine Initiative, die die Radio- und Fernsehgebühren abschaffen will. Offiziell heisst sie Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren. Gehört hast du aber wohl von der "No-Billag Initiative".

Was will diese Initiative nun genau, wer hat sie initiiert, wer ist dafür, wer dagegen und was sind die Folgen bei einer allfälligen Annahme oder Ablehnung? Das will ich in diesem Artikel klären. Dass du gewappnet in die Abstimmung marschieren kannst!

Was die Initiative will

Die Initiative will die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen abschaffen. Ausserdem will sie dem Bund verbieten, Sendestationen zu subventionieren und in Friedenszeiten eigene Radio- oder Fernsehsender zu betreiben.

Die Änderungen der Bundesverfassung ( Artikel 93, Radio und Fernsehen) findest du detailliert erklärt in dieser Slideshow:

Was sich damit ändert

Um zu verstehen, was sich bei einer allfälligen Annahme der Initiative alles ändern würde, muss man zuerst verstehen, wie in der Schweiz das System der öffentlichen Medienhäusern aufgebaut ist und was die Billag, von der alle reden, genau ist.

Die Billag ist also nichts anderes als ein Unternehmen, das im Auftrag des Bundes die Gebühren erhebt. Jedoch nur bis im Januar 2019. Ab dem 1.1.2019 tritt das revidierte Mediengesetz in Kraft, dabei sinken die Gebühren auf 365.- Franken im Jahr. Jedoch müssen dann alle Haushalte zahlen und nicht nur die, die Zuhause ein Radio- oder Fernsehgerät haben. Ebenfalls ändert sich die Firma, die die Gebühren erhebt. Der Bund überträgt der Firma Serafe diese Aufgabe.

Der dritte Punkt, der gerade für die SRG wichtig ist: Ab 2019 sinkt der Anteil der Gebühren, der an die SRG fliesst. Maximal erhält die Schweizerische Radio und Fernsehgesellschaft dann 1.2 Milliarden Franken pro Jahr.

Die nachfolgende Grafik zeigt, wie die Gebühren im Jahr 2016 unter den verschiedenen Medienhäusern aufgeteilt wurden:

Neben den in den 4 Landessprachen geführten Sendern der SRG, nämlich dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), Radio Télévision Suisse (RTS), Radiotelevisione Svizzera (RSI) und Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR), erhalten 34 Privatsender, verteilt in der ganzen Schweiz, rund 60 Millionen Franken aus dem Gebührentopf. Dieser Betrag wird ab 2019 sogar noch gesteigert.

Diese Privatsender profitieren von den Gebühreneinnahmen:

Diese privaten Radio- und Fernsehstationen sind ein wichtiges Standbein in den kleinen, regionalen Medienlandschaften der Schweiz. Sie informieren die Bürger über Nachrichten in der Region und verbinden so deren Bewohner.

Um die Folgen einer Annahme der No-Billag Initiative aufzuzeigen, eignet sich als Beispiel Radio BeO, der Regionalsender aus dem Berner Oberland, Emmental und dem Raum Bern.

Die Gebührenbeiträge machen bei der Radio Berner Oberland AG rund 37% der Einnahmen aus. 2016 erhielt diese rund 1.65 Millionen Franken an Gebührenbeiträgen.

Was der Wegfall dieser Beiträge für Auswirkungen hätte, fragte ich Martin Muerner, Geschäftsleiter der Radio Berner Oberland AG. Den Sender würde ein Ja der Initiative und somit der Wegfall der Gebühren "existenziell bedrohen" und wäre das Aus des heutigen Angebots und des heutigen Betriebs.
Die Initianten kommentieren diese Aussage oft damit, dass diese wegfallenden Einnahmen durch Werbung zurückgeholt werden könne. Martin Muerner verneint auch dies. Der Werbemarkt für Radiowerbungen könne nicht einfach um diese Summe vergrössert werden. Ausserdem führt er aus: "Der Werbemarkt für die privaten Radioveranstalter würde massiv verkleinert, wenn die SRG bei einer Annahme dieser schädlichen Initiative dann Radiowerbung schalten würde."

Wer dafür ist

Das Komitee, welches die Initiative lancierte, ist hauptsächlich bei den Parteien der Jungfreisinnigen und der Jungen SVP angesiedelt. So erstaunt es auch nicht, dass diese beiden Jungparteien ihre Ja-Parolen für die Abstimmung am 4. März ausruften. Von den "grossen" Volksparteien unterstützen indessen nur die SVP die Initiative. Neben den politischen Akteuren gibt es auch auf Seiten der Privatwirtschaft Befürworter. Allen voran und mit viel Medienecho unterstützt der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) die Initiative. Alle zusammen wollen die Zwangsgebühren abschaffen und jedem Bürger die Freiheit geben, das zu konsumieren, was sie wollen. So schreibt der Gewerbeverband auf seiner Website, ein Ja sei eine Chance für eine neue und unabhängige SRG. Ausserdem würde damit die ungerechtfertigte Mediensteuer und eine willkürliche Doppelbesteuerung für Unternehmen abgeschafft.

Argumente der Befürworter

Die Befürworter argumentieren, mit der Annahme der Initiative sei ein freierer Medienmarkt in der Schweiz möglich, die übermächtige SRG werde in ihre Schranken gewiesen und so kleinere Unternehmen gefördert. Ausserdem würden durch den Wegfall der Gebühren über 1.3 Milliarden Schweizer Franken an Kaufkraft pro Jahr freigesetzt, welche die Schweizer Privatpersonen sonst wo investieren können.

Für Aufregung sorgte der Schweizerische Gewerbeverband, als er anfangs Januar seinen "Plan B" vorstellte. Durch mehr Werbeeinnahmen und Abos für Tagesschau, Echo der Zeit oder Sportsendungen könne sich die SRG, wenn sie "ein bisschen sparen" würde, weiter finanzieren. Was jedoch mit den Regionalsendern und den 3 anderen Sprachregionen, welche auch mit den Gebühreneinnahmen aus der Deutschschweiz mitgetragen werden, passieren soll, lässt SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler praktisch offen. Die Initiative schreibe nur vor, dass der Bund keine Fernseh- und Radiostationen subventionieren darf. Subventionen für einzelne Sendungen, Sendereihen oder konkrete Gefässe des Service Public verbiete die Initiative aber nicht, meint der Schweizerische Gewerbeverband.

 

Wer dagegen ist

In letzter Zeit formierte sich grosser Widerstand gegen die No-Billag Initiative. Sowohl politisch wie auch in der Medienbranche. Alle Parteien, mit Ausnahme der SVP, lehnen die Initiative ab, der Bundesrat spricht sich ebenfalls dagegen aus.
Auch die Operation Libero, welche sich nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative formierte und sich dafür einsetzt, dass das liberale Gedankengut in der Schweiz nicht verloren geht, wehrt sich gegen die No-Billag Initiative und nennt diese "einen Anschlag auf die Demokratie".

Argumente der Gegner

Aus dem Lager der Gegner der Initiative, namentlich der Operation Libero und dem Komitee "Nein zum Sendeschluss" kommen auch Bedenken für die Demokratie.

Die heutige Medienlandschaft sei essenziell wichtig für unsere direkte Demokratie in der Schweiz. Auserdem müssen die Randregionen, wie die Rätoromänischeschweiz oder auch die Romandie und Tessin von neutralen, sachlichen und vorallem werbefreien Informationen profitieren können.

Eine weitere Gruppe, die sich gegen die No-Billag Initiative stellt, sind die Schweizer Filmschaffenden. Diese kreierten innert kürzester Zeit mehrere Werbeclips, welche mit kritischem Humor aufzeigen, was für Folgen die Auflösung von Subventionen in anderen öffentlichen Bereichen wie zum Beispiel den Schulen für Folgen hätte.
 

Fazit

Was du nun abstimmen wirst, kann ich und die verschiedenen Gegner und Befürworter nicht beeinflussen. Wichtig ist, wie bei jeder Abstimmung, dass du dein Mitspracherecht nutzt und deine Stimme abgibst. Egal ob bereits vor dem 4. März schriftlich oder am Abstimmungssonntag an der Urne. Nimm dir auch Zeit und denke darüber nach, in welch guten Umständen wir in der Schweiz lebenn dürfen und ob wir wirklich, nur um 365 Franken zu sparen, das erste Europäische Land sein wollen, dass seine öffentliche Berichterstattung beschneidet. Was wirklich bei einer Annahme der No-Billag Initiative passieren wird, können wir uns nur vorstellen. Ob die sonst sehr zurückhaltende und konservative Schweiz bereit ist, dies herauszufinden, wage ich zu bezweifeln.

PS: Weltweit gibt es nur ein einziges Nachrichtenformat, das mit Mitgliederbeiträge finanziert wird: "Naked News". Trump, Iran, Sport, Kälteeinbruch - alles da. Eine junge Frau präsentiert professionell die Nachrichten. Nach der zweiten Meldung steht sie ohne Bluse da, beim Sport im Höschen und beim Wetter ist sie splitternackt. Die sechs Ausgaben pro Woche kosten im Jahresabo 72 Dollar (noch billiger als Netflix!).

 

 


Mit Informationen von:
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