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Selbstbestimmungs-Initiative

Wenn überall Plakate mit “Ja” oder “Nein” Parolen auftauchen, dann ist Abstimmungszeit. Wenn in der Arena auf SRF hitzig diskutiert wird, dann wollen die Einen etwas, was die Anderen nicht wollen.

In diesem Fall sollen wir Schweizer von den “bösen” Richter aus Strasbourg geschützt werden. Denn das ist das Ziel der Volksinitiative “Schweizer Recht statt fremde Richter” oder mittlerweile auch “Selbstbestimmungsinitiative”, kurz SBI, genannt.
Die Initative wurde im August 2016 von der SVP eingereicht. Bis jetzt ist diese auch die einzige Partei, die die Initiative unterstützt.

Was die Initiative will

Das Schweizer Recht, also die Bundesverfassung, soll nach der Annahme der Initiative über dem Völkerrecht stehen. Falls es also bei einem Vertrag, den die Schweiz mit einem anderen Land, oder einem Staatenbund wie die EU, unterzeichnet, zu einem Widerspruch mit der Schweizerischen Verfassung kommt, muss dieser Vertrag angepasst werden. Kann mit dem Vertragspartner keine Einigung gefunden werden, muss die Schweiz den Vertrag kündigen.
Weiter wird Artikel 190 in der Bundesverfassung folgendermassen geändert:

Das bedeutet, dass vor dem Bundesgericht nur die internationalen Verträge gültig sind, die bei Unterzeichung eine Änderung der Verfassung nötig machten. Diese sind also “dem Referendum durch das Volk unterstanden”.

Was sich damit ändert

Das ist relativ schwierig zu verstehen, wenn man kein studierter Jurist oder Juristin ist. Der Initiativtext ist schwammig geschrieben und lässt offen, was unter anderem mit bereits abgeschlossenen Verträgen passieren soll. Die Frage, “was die Initiative nun bedeute”, beschäftigte die Diskussionsrunde in der “Arena” rund 15 Minuten. (Klar war es danach noch immer nicht.)

Was klar ist: Die Schweiz würde bei Vertragsverhandlungen schlechter dastehen. Diese Verträge sind jedoch für uns essenziell wichtig. Ohne unsere Nachbarländer hätten wir schon bald ein Versorgungsproblem. Auch solche Verträge wie das Personenfreizügigkeitsabkommen nützen uns mehr, als sie schaden. Im Alltag werden Frau und Herr Schweizer also praktisch nie von diesen Abkommen eingeschränkt.

Dazu kommt: Stimmt ein internationaler Vertrag nicht mit der Schweizerischen Bundesverfassung überein und konnte keine Einigung erreicht werden, muss der Vertrag gekündigt werden. Somit wird über dem Kopf des Volkes entschieden, ob ein Vertrag abgeschlossen wird oder nicht. Das verschlechtert den Einfluss des Volks auf die Demokratie, statt ihn zu vergrössern.

Wer dafür ist

Die SVP, die die Initiative eingereicht hat, sowie deren Jungpartei.
Ausserdem kämpft ein Unternehmerkomitee unter der Führung von Magdalena Martullo Blocher (Nationalrätin SVP) für ein Ja. Trotz der ablehnenden Haltung des Wirtschaftsdachverband economiesuisse und des Schweizerischen Gewerbeverbands.

Argumente der Befürworter

Die Befürworter argumentieren für ein Ja, weil dieses die Selbstbestimmung des Schweizer Stimmvolks stärke. Denn das Volk könne entscheiden, welche Gesetze ausgeführt werden und nicht “fremde Richter” am Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg. Die Initiative erreiche, dass Volksentscheide auch definitiv umgesetzt werden, ausserdem sichere sie die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft.

Wer dagegen ist

Eine Vorreiter Rolle gegen die SBI nehmen viele politische Bewegungen wie Operation Libero, aber auch foraus (Forum Aussenpolitik) und Allianz Zivilgesellschaft. Auf Seiten der Bundesparteien stellten sich bis heute alle Parteien mit Ausnahme der SVP und der Jungen SVP gegen die Selbstbestimmungsinitiative. Der Bundesrat empfiehlt ebenfalls die Ablehnung der SBI.

Argumente der Gegner

Die SBI sei eine “Vertragsbruchinitiative”, der Rechtsstaat Schweiz werde geschwächt und die Folgen seien unvorhersehbar. Die Initiative schade dem Wirtschaftsraum Schweiz, wenn internationale Verträge gekündigt werden müssen oder gar nicht mehr abgeschlossen werden dürfen. Das Forum Aussenpolitik (foraus) veröffentlichte vor kurzem eine Studie, die anhand von 10 Punkten die Folgen der Selbstbestimmungsinitiative aufzeigen soll.
In der Pressekonferenz des Bundesrates zur SBI stellte Simonetta Sommaruga fest, dass das Schweizer Volk bereits heute selber entscheide, ob ein Vertrag abgeschlossen wird oder nicht. Ausserdem mache die Initiative die Schweiz abhängig vom Goodwill anderer Länder. Falls ein Vertrag wegen einem Widerspruch neu verhandelt werden müsse, sei die Schweiz in ihrer Verhandlungsposition gegenüber dem Vertragspartner geschwächt und ermöglicht es diesem, ebenfalls neue Forderungen zu stellen.

Fazit

Die ganze Initiative wirkt wie eine Trotzreaktion der SVP. Weil sich ihre “Ausschaffungsinitiative” aus dem Jahr 2010 laut dem Bundesgericht nicht wie von den Initiianten gewünscht umsetzen lasse, (die Umsetzung würde erhebliche Kollisionen mit Völkerrechten wie der Europäischen Menschenrechtskonvention verursachen) lancierte die SVP nun die Selbstbestimmungsinitiative. Eine Initiative, die juristische äusserst verstrickt ist und viele Menschen ratlos macht. Schlussendlich stehen die Beziehungen der Schweiz zu praktisch allen anderen Ländern der Welt auf dem Spiel. Und für uns absolut normale Dinge, wie ohne Passkontrolle nach Deutschland einkaufen gehen und die Mehrwertsteuer zurückverlangen zu können, könnten auf einmal gar nicht mehr so selbstverständlich sein.

Was du schlussendlich abstimmst, ist wie immer dir überlassen ;)


Mit Informationen von:
selbstbestimmungsinitiative.ch
sbi-nein.ch
ejpd.admin.ch
srf.ch
operation-libero.ch
foraus.ch
solothurnerzeitung.ch
nau.ch

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