Weekly, KW44
Es ist ein bisschen später als 16 Uhr, es ist Sonntag, es ist der 7. November und es ist Zeit für den Nachrichtenrückblick.
Wo wir letzte Woche aufgehört haben, beginnen wir heute:
UN-Klimagipfel zum Zweiten.
Nach der ersten Verhandlungswoche im schottischen Glasgow kann eine durchzogene Bilanz gezogen werden. Sechs Jahre nach dem historischen Klimaabkommen in Paris sollte der aktuelle Gipfel nun konkrete Fortschritte in der internationalen Klimapolitik bringen.
Was passiert ist:
Der indische Premierminister Narendra Modi verkündete erstmals ein konkretes Klimaziel für Indien: Emissionen bis 2070 auf Netto Null senken.
Indien ist der weltweit drittgrösste Emittent von Co2 und Äquivalenten. Das Festlegen auf dieses Ziel ist wohl auch auf den Einfluss der USA zurückzuführen.
John Kerry, der Klimabeauftrage der aktuellen US-Regierung, hat Modi in den letzten Mal zwei Mal einen Besuch abgestattet, um ihn von einer Verpflichtung zu überzeugen.
Die Schweiz verpflichtete sich mit rund 100 anderen Staaten, den Methanausstoss bis 2030 um 30 Prozent zu verringern und die Wälder besser zu schützen.
Mit der "Glasgow Financial Alliance for Net Zero", an der sich auch die Schweizer Banken CS, UBS und Pictet beteiligen, schloss sich eine Gruppe von Banken, Versicherungen und Investoren zusammen, die versprechen, bis 2050 mit ihren Portfolios die Klimaneutralität zu erreichen.
Wie es weiter geht:
Die Verhandlungen sind weiterhin in vollem Gange, wie viele konkrete Ziele und Verpflichtungen die Staaten und vertretenen Organisationen noch vereinbaren können, wird sich bis nächsten Freitag zeigen.
Die nationale Antifolter-Kommission empfiehlt Brians Verlegung.
Seit August 2018 sitzt Brian, der unter dem Pseudonym "Carlos" bekannt geworden war, fast ohne Unterbruch im Zürcher Gefängnis Pöschwies in Sicherheitshaft. Wie seine Anwält_innen mitteilen, muss er 23 Stunden am Tag allein in seiner Zelle verbringen, ohne jeglichen Kontakt zu anderen Gefangenen.
Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, sagte bereits im Sommer, dass dies ein unmenschliches Haftregime sei. Das Zürcher Amt für Justizvollzug wies die Vorwürfe zwar zurück, jedoch schaltete sich die Kommission zur Verhütung von Folter selbständig ein. Sie wollte die Situation im Gefängnis vor Ort untersuchen. Nun liegt der entsprechende Bericht vor:
Mit zunehmender Dauer der Einzelhaft werde der Übergang in den Normalvollzug schwieriger und lange Einzelhaft könne die psychische Gesundheit ernsthaft beeinträchtigen, heisst es im Bericht. Es seien umfassende Massnahmen einzuleiten, um die Einzelhaft von Brian menschenrechtskonform zu gestalten und gesundheitliche Verschlechterungen zu vermeiden.
Hintergrund:
Brian hat einen langen Weg durch unzählige Institutionen hinter sich. Als Jugendlicher sticht er mit dem Messer zu, gefolgt von Jugendstrafen und Psychiatrie. Immer wieder landet er hinter Gittern, wegen Körperverletzungen, aber auch präventiv in ungerechtfertigter Haft.
Nationale Aufmerksamkeit erlangte Brian und sein Fall 2013, als ein SRF-Dokfilm über ihn erschien. Sein Sondersetting für monatlich 29'000 Franken und sein Thaibox-Unterricht warfen hohe Wellen und machen den Fall "Brian" politisch. Seine Gewaltbereitschaft und sein Widerstand bringen das Justizsystem an seine Grenzen.
Carlos oder Brian?
Als der Fall bekannt wurde, wurde von den Medien als Pseudonym "Carlos" verwendet. Da aus Persönlichkeitsschutz Brians echter Name nicht veröffentlicht werden darf. Vor einigen Jahren bat Brian jedoch in einem Interview darum, auch Brian genannt zu werden. Wenn schon immer über ihn geschrieben werde, dann auch unter richtigem Namen.
Bidens Infrastrukturpaket beschlossen.
Nach monatelangem Ringen hat der US-Kongress am späten Freitagabend den "Build Back Better Act" angenommen und damit den Weg frei gemacht für eines der innenpolitischen Kernvorhaben der Biden-Regierung.
Hintergrund:
Vorgesehen sind rund 550 Millionen US-Dollar an neuen Investitionen in Strassen, Brücken. Häfen, Flughäfen, den Nahverkehr und die Bahn. Zusammen mit bereits beschlossenen Mitteln entspricht das einem Volumen von über einer Billion Dollar in Infrastrukturprojekte.
Warum das relevant ist:
Die Infrastruktur der Vereinigten Staaten gilt schon länger als in die Jahre gekommen und marode. Etwa fehlt es an Ladestation für Elektroautos, das Fernverkehrsnetz der Bahn ist praktisch nicht existent und der öffentliche Nahverkehr noch lange nicht auf dem Niveau wie in anderen westlichen Ländern.
Biden machte den Ausbau dieser Projekte, aber auch die Internet- und Wasserversorgung zu seinen Wahlkampf-Themen und versprach den Amerikaner_innen somit indirekt eine bessere Zukunft. Joe Biden wird nun direkt daran gemessen, welche Wahlversprechen er auch einlösen kann.
Sea-Eye 4 darf in Sizilien anlegen
Nach mehrtägiger Fahrt durch das Mittelmeer durfte das Schiff der deutschen Hilfsorganisationen Sea-Eye und Mission Lifeline mit mehr als 800 Menschen an Bord am Sonntag in Trapani auf Sizilien anlegen.
Das entschieden die italienischen Behörden, nachdem das Schiff am Donnerstag um die Zuteilung eines sicheren Hafens angefragt hatte. Aus Malta sei keine Reaktion auf die Notrufe gekommen, wurde Lampedusa angesteuert. Dort durfte das Schiff aber nicht anlegen und die Crew entschied Kurs auf Sizilien zu nehmen.
Die Sea-Eye 4 hatte von Dienstag bis zur Nacht auf Donnerstag nach Angaben der Organisationen in mehreren Aktionen mehr als 800 Geflüchtete gerettet. Ausgelegt ist die Sea-Eye 4 für etwa 200 Menschen.
Das von der Organisation SOS Méditerranée betriebene Schiff "Ocean Viking" mit 313 Geretteten wartet weiterhin auf die Zuweisung eines Hafens. Die maltesischen Behörden haben der Crew am Freitag eine Absage erteilt, wie SOS-Méditerranée-Sprecherin Barbara Hohl mitteilte. "Wir befinden uns also leider in der üblichen Lage: Nach Rettungen müssen wir viel zu lang warten, bis wir endlich einen Hafen zugewiesen bekommen."
Hintergrund:
Nachdem Frontex - die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache - ihre im Jahr 2015 begonnen Rettungseinsätze im Mittelmeer beendete, sprangen private Organisationen ein. Diese retten in Seenot geratene Boote mit Geflüchteten aus lybischen Gewässern. Gemäss internationalem Seerecht muss jedes Schiff in Seenot geratene Menschen zu Hilfe eilen und eine Rettung veranlassen.
Schiffe von privaten Organisationen erfragen bei Mittelmeer-Staaten einen sicheren Hafen, um die geflüchteten Menschen zu übergeben und ihnen damit ihren rechtmässig zustehenden Asylantrag zu ermöglichen.
Seit dem Einsatz von privaten Rettungsorganisation im Mittelmeer wurden etliche Boote festgesetzt und die Crew wegen Vorwurfs der Schlepperei festgenommen und angeklagt.
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