Weekly, KW20
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Das ist der Nachrichtenrückblick über die Woche 20 im Jahr 2022:
Bundesrat will Kampfjets kaufen - ohne Volksentscheid abzuwarten.
Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, die Verträge für die neuen F-35 Kampfjets bis März 2023 zu unterschreiben. Damit folgt er einem Antrag der Sicherheitskommission des Ständerates. Laut dem Bundesrat läuft im Frühling 2023 die Frist der Offerte aus den USA ab. Danach könnten sich die Kaufbedingungen verschlechtern.
Hintergrund:
Die geplante Beschaffung von neuen Kampfjets ist die teuerste Beschaffung der Geschichte. Bei einer Volksabstimmung im September 2020 stimmte das Schweizer Stimmvolk dem Kredit in der Höhe von rund 6 Milliarden Schweizer Franken zu. Die Differenz zwischen Ja und Nein-Stimmen betrug jedoch nur 8’500 Stimmen.
Verteidigungsministerin Viola Amherd und ihr Department evaluierten nach der Abstimmung die möglichen Typen und entschieden sich für den amerikanischen Jet F-35. Dieser ist mit Abstand das neueste Modell, jedoch auch der grösste Flieger. Das VBS begründete die Auswahl des F-35 Jets mit dem besten Kostenverhältnis. Unterdessen beklagen jedoch Länder wie Italien oder die USA viel höhere Kosten als ursprünglich geplant waren.
Eine Volksinitiative, lanciert von der Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee, GSoA, will den Kauf der F-35 verhindern. Nach Angaben des Initiativkomitees sind bereits über 88’000 der nötigen 100’000 Unterschriften zusammengekommen. Stattfinden würde die Abstimmungen aber frühestens erst, nachdem der Bundesrat die Kaufverträge unterschrieben hat - womit sie überfällig wäre.
«Volksinitiativen entfalten vor Annahme durch Volk und Stände keine rechtliche Vorwirkung. Eine neue Verfassungsbestimmung würde frühestens mit der Annahme in Kraft treten», schreibt der Bundesrat. Was im Klartext heisst: Wir kaufen den Jet, und sollte danach eine Mehrheit an der Urne gegen den F-35 stimmen, ändert das gar nichts.
Was jetzt passiert:
Es bestehen noch offene Fragen zur Evaluation des Typenentscheids, die aktuell von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates und der Eidgenössischen Finanzkontrolle EFK untersucht werden. Die Kampfjetbeschaffung wird im Juni im Ständerat beraten und im September im Nationalrat. Somit kann nur der Nationalrat reagieren, falls die Geschäftsprüfungskommission oder die eidgenössische Finanzkontrolle Fehler oder Unregelmässigkeiten beim Beschaffungsprozess feststellen, denn deren Berichte werden im Juni noch nicht vorliegen.
Spanien plant “Menstruations-Arbeitsfrei”.
Bei starken Regelschmerzen sollen Frauen nicht arbeiten müssen – bei vollem Lohn: So sieht es eine neuer Gesetzesentwurf der spanischen Regierung vor, der noch vom Parlament bestätigt werden muss. Darüber hinaus hält der Entwurf aber auch Bestimmungen zu Schwangerschaftsabbrüchen fest: Frauen ab 16 Jahren sollen für einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr die Zustimmung ihrer Eltern benötigen. Die übliche Bedenkfrist von drei Tagen vor einem Abbruch soll entfallen.
Hintergrund:
Menschen die menstruieren und während ihrer Periode starke Schmerzen erleiden, sollen für einen nicht genauer definierten Zeitraum zu Hause bleiben dürfen – immer unter ärztlicher Aufsicht oder Anweisung. Es ist also kein Urlaub - wie viele deutschsprachige Medien berichteten - sondern eine erleichterte Krankschreibung, sozusagen die Erweiterung eines bereits bestehenden Rechts.
Laut Gesundheitsexpert:innen werden Krankheiten wie Endometriose oder Erkrankungen, die mit der Menstruation in Verbindung stehen, oft spät und unzureichend erkannt. Die Vorstellung, dass die Periode schmerzhaft sein müsse, stecke tief in unseren Köpfen. «Dieser falschen Vorstellung will man mit dem Menstruationsurlaub entgegenwirken».
«Die derzeit regierende spanische Linkskoalition hat sich feministische Politik gross auf die Fahne geschrieben», sagt die Journalistin Julia Macher gegenüber SRF. Die Koalition setzt dabei immer auch auf Symbole und politische Massnahmen, die Debatten anstossen – zum Beispiel im Bereich der Medizin.
Der Entwurf ist nicht unumstritten. Die Wirtschaftsministerin Nadia Calviño sprach von der Gefahr einer Stigmatisierung von Frauen. Letzten Endes konnte sie sich damit aber nicht durchsetzen. In Japan könnten Frauen bei Regelschmerzen zu Hause bleiben, tun das aber offenbar selten, weil sie mit ihren Menstruationsproblemen nicht zu ihren männlichen Vorgesetzten gehen möchten. «Genau die gleichen Befürchtungen gibt es auch in Spanien», so Julia Macher.
Die Lage in der Ukraine.
Ein Überblick von der deutschen Zeitung “Die Zeit” : hier lesen.
Und zum Schluss.
Machen wir uns nichts vor: Das Highlight der Woche fand gestern in Leipzig statt. Ein Lichtblick in all diesen Krisen, die wir momentan erleben, unterhaltsam aber trotzdem akribische Perfektion. Ein Event, der beweist: Es geht vorwärts.
Du weisst nicht, worum es geht?
Dann hast du wohl oder übel die bereits 9. Tram-Europameisterschaft verpasst.
Nach zwei Jahren Corona-Pause trafen sich gestern Europas beste Strassenbahnfahrer:innen in Leipzig, um herauszufinden, wer die oder der Beste auf der Schiene ist. 25 Teams aus 19 Ländern bestritten sieben Disziplinen - wie etwa Präzisions-Anhalten an einer Haltestelle, punktgenaue Landung vor einem Hindernis oder auch Billard und Bowling mit einem Tramzug spielen. Neben Titelverteidiger Brüssel und Gastgeber Leipzig traten Teams aus Barcelona, Basel, Berlin, Brünn, Budapest, Dublin, Florenz, Frankfurt, Hannover, Kiew, Kosice, Krakau, Luxembourg, Lviv, Lyon, Oradea, Porto, Sofia, Stockholm, Stuttgart, Wien und Sargossa an. Erstmals nahm ein Team aus Melbourne an den Wettbewerben teil. Die Australier - die das grösste Strassenbahnnetz der Welt betreiben - erfuhren auf YouTube von der Europameisterschaft und schrieben einen netten Brief an die Organisatoren. Und schon kämpften sie um den Titel als beste Tramfahrer:in.
Den Pokal hat gestern Nachmittag übrigens Hannover mit nach Hause genommen, das Team aus Basel bildete auf Platz 25 das Schlusslicht. Aber alle die Tram fahren wissen, ohne ein Schlusslicht geht es eben auch nicht.
Wer nach diesem Bericht - verständlicherweise - mehr über die Tram-EM erfahren will:
Reportage von “SWR Eisenbahn-Romantik” über die EM 2018 in Stuttgart: hier ansehen
Redaktionsschluss: 14:55
Weekly 20/2022
Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash
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