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Weekly, KW23

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.

Das beschäftigte uns die letzten Tage:


Kanton Genf gewinnt gegen Fahrdienstleister Uber.

Das Bundesgericht in Lausanne entschied letzte Woche über einen Entscheid des Kantons Genf, gegen den Uber Beschwerde eingereicht hat. 

Konkret geht es um die Frage, ob Uber-Fahrer:innen selbständig oder Angestellte von Uber sind. Das Kantonsgericht Genf kam im November 2020 zum Schluss, dass aufgrund der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen Uber und den Fahrer:innen in Genf von einem Arbeitsvertrag auszugehen sei. Aus diesem Grund sei Uber, vertreten durch die Niederländische Firma Uber B.V., als Transportunternehmen zu verstehen, das sich an das Genfer Taxi-Gesetz zu halten habe. Uber muss seine Fahrer wie Angestellte behandeln: mit regulärem Lohn, Sozial­leistungen und Ferien. 

Das Bundesgericht wies die Beschwerde nun ab und bestätigte die Entscheidung des Kantonsgerichts Genf. 

Was das bedeutet: 

Uber muss damit die Bestimmungen über den sozialen Schutz der Arbeitnehmenden und die Tarifverträge in der Branche einhalten. Auch muss Uber nun etwa für die Einhaltung des Arbeitsrechts sorgen. Bereits kurz nach Bekanntgabe des Urteils zog der Konzern die Konsequenzen und hat den Betrieb eingestellt.

Was jetzt passiert:

Nach einer Woche intensiver Verhandlungen mit dem Kanton verkehren seit Freitag nun wieder Uber-Fahrzeuge in Genf. In einer gemeinsamen Mitteilung des Wirtschafts- und Arbeitsdepartements Genf und Uber verpflichtet sich das Unternehmen, sich das Gesetz zu halten und den kantonalen Mindestlohn einzuhalten. 

Das Urteil des Bundesgerichts gilt rückwirkend ab Oktober 2019. Die Gewerkschaft Unia schätzt, dass Uber absehbar Hunderte Millionen Franken wird zurückzahlen müssen, die den Fahrer:innen und den Sozialversicherungen vorenthalten blieben.

Hintergrund:

In vielen Ländern und unzähligen Städten streitet Uber seit Jahren um die gleiche arbeits­rechtliche Frage: Ist der Tech­konzern aus San Francisco ein Transport­unternehmen oder – wie er sich selber sieht – ein «Mobilitäts­netzwerk, das Menschen über eine App mit On-Demand-Angeboten verbindet». Die meisten Gerichte kamen bislang zum Schluss, dass Uber Ersteres sei und deshalb seine Fahrer:innen nicht als Selbst­ständige behandeln dürfe. Das Unter­nehmen, das seit Jahren konsequent Verluste schreibt (letztes Jahr eine halbe Milliarde Dollar) und seine Investor:innen mit dem Versprechen auf traumhafte Markt­anteile und künftige Gewinne bei der Stange hält, zieht die Gerichts­urteile stets an die nächsten Instanzen weiter.

Einheitlicher Ladestecker im EU-Raum.

Ein einziges Ladekabel für Handy, Kamera und Lautsprecher - in zwei Jahren wird das Wirklichkeit. EU-Parlament und EU-Staaten haben sich auf USB-C als Standard-Ladebuchse geeinigt. Es ist das erste Mal weltweit, dass Gesetzgeber den Herstellern solche Vorgaben machen. Der einheitliche Standard gilt künftig für alle kleinen und mittelgrossen Geräte, die aufladbar und tragbar sind. Dazu gehören Smartphones, Tablets, Digitalkameras, Kopfhörer, tragbare Lautsprecher, aber etwa auch E-Reader, Smartwatches und Computer-Mäuse. Laptops müssen künftig zwar ebenfalls über eine USB-C-Buchse aufgeladen werden können - für sie gilt allerdings eine längere Übergangsfrist.

Für die meisten Geräte wird der USB-C-Stecker ab Sommer oder Herbst 2024 verbindlich. Noch gibt es keinen genauen Starttermin. Denn der Beschluss muss noch vom Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten formell beschlossen werden, um in Kraft treten zu können. Dies gilt jedoch als reine Formsache. 24 Monate nach Inkrafttreten der neuen rechtlichen Grundlage werden die Hersteller dann die USB-C-Ladebuchse bei neuen Geräten anbieten müssen - also voraussichtlich Mitte 2024. Für Laptops wurde eine längere Übergangsfrist von 40 Monaten vereinbart, bis die Vorgaben umgesetzt werden müssen.

Schweiz im UNO-Sicherheitsrat.

Die Schweiz nimmt von Januar 2023 bis Dezember 2024 im UNO-Sicherheitsrat Einsitz. Die UNO-Generalversammlung hat sich mit 187 Stimmen für die Aufnahme in das wichtigste Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen ausgesprochen. 192 Länder gaben in der anonymen Abstimmung ihre Stimmen ab. Zwei Staaten haben sich der Stimme enthalten.

Das Aussen­departement nennt als Prioritäten für die zwei Jahre: «Nachhaltigen Frieden fördern, die Zivil­bevölkerung schützen, Klima­sicherheit angehen und die Effizienz des Sicherheitsrats stärken.» Für Aussenminister Ignazio Cassis ist es selbstverständlich, dass die Schweiz in den Sicherheitsrat will: Man sei vor 20 Jahren der UNO beigetreten, und zwar voll und ganz und ohne Vorbehalt. Und jene, die weiterhin um die Neutralität fürchten, beruhigt er: Die Schweiz werde ihre Neutralität nicht verlieren. Die Politik der Schweiz werde sich nicht verändern - hingegen habe man im Sicherheitsrat zusätzliche Möglichkeiten, sich für die eigenen Anliegen und Ziele zu engagieren. Auffallend ist, dass die Frage der Vereinbarkeit der Neutralität mit einem Sitz im UNO-Sicherheitsrat fast ausschliesslich in der Schweiz ein Thema ist. Tatsächlich sassen bereits eine ganze Reihe neutraler Staaten im Sicherheitsrat - Schweden, Finnland, Österreich und momentan Irland.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen setzt sich aus fünf ständigen und zehn nichtständigen Mitgliedern zusammen. Die fünf ständigen Mitglieder Frankreich, Russland, die Vereinigten Staaten, die Volksrepublik China und das Vereinigte Königreich haben bei der Verabschiedung von Resolutionen ein erweitertes Vetorecht und werden daher auch als Vetomächte bezeichnet.

Österreichischer Rechnungshof glaubt der Volkspartei (ÖVP) nicht.

Nach Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz im Herbst, Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht und mutmasslich durch Steuergelder finanzierte Umfragen, schafft es die Österreichische Volkspartei und aktuelle Kanzlerpartei weiterhin nicht, aus den Schlagzeilen zu kommen.

Konkret geht es um die Wahlkampfkosten der Volkspartei für die Nationalratswahlen 2019. Gegenüber dem österreichischen Rechnungshof hat die ÖVP 2019 angegeben, die Obergrenze der Wahlkampfkosten eingehalten zu haben. Der Rechnungshof bezweifelt das nun stark, wie er in einer Pressemitteilung am Freitag schrieb. Er hat eine Reihe von Verstössen gegen das Parteiengesetz angegeben. Unter anderem sei es “mit der politischen Lebenswirklichkeit schwer in Einklang zu bringen”, dass für die Nationalratswahlen deutlich weniger ausgegeben worden sein soll als beispielsweise für die EU-Wahl. Für die ÖVP sitzen zurzeit 7 Abgeordnete im EU-Parlament, im Nationalrat hält die Partei 71 Sitze.

Grundsätzlich muss sich der Rechnungshof auf Angaben der Parteien verlassen, ein Einblick in ihre Buchhaltung ist ihm nicht möglich. Er verfügt nach eigenen Angaben allerdings über Unterlagen, die die Angaben der ÖVP zweifelhaft erscheinen lassen. Fragen dazu seien von der Partei teilweise nicht beantwortet worden, kritisiert das Kontrollorgan. Zum Beispiel wollte die ÖVP nicht näher darauf eingehen, warum bestimmte Kosten, die in diesen Dokumenten zu sehen sind, nicht für den Wahlkampf eingerechnet wurden.

Aus diesem Grund gebe es genügend Anhaltspunkte, um den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) über einen Verstoss gegen das Parteiengesetz zu informieren, erklärt der Rechnungshof. Im Sommer 2021 habe dieser Senat allerdings entschieden, dass ein Wirtschaftsprüfer eingesetzt werden muss, um die Zahlenangaben nochmals zu prüfen. Das wolle man nun erstmals tun. "Die ÖVP hat vollen Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren", so der Rechnungshof.

Im Detail geht es etwa um Studien des Finanzministeriums 2019, die “ohne ersichtlichen Grund” einmal um 50 und einmal um 100 Prozent teurer als andere Studien gewesen sind. Der Rechnungshof vermutet, dass es zu unzulässigen Spenden in Höhe von rund 26’000 Euro gekommen sein könnte. Weiter geht es um Organisationen die aus Sicht des Rechnungshofs als Teilorganisation der Volkspartei seien, diese Einnahmen und Ausgaben müssten demnach in der Parteibilanz erscheinen, tun sie aber nicht. Und auch Machenschaften rund um ein Magazin im Vorarlberg traut das Prüfungsorgan nicht. Hier sollen Inseratenpreise massiv höher sein als bei vergleichbaren Publikationen. Der Rechnungshof ist der Meinung dass es zu unzulässigen Spenden zugunsten der ÖVP gekommen sei.

Die Ermittlungen könnten nun für den aktuellen Bundeskanzler, Karl Nehammer, unangenehm werden. Denn Nehammer war zum Zeitpunkt der Nationalratswahl 2019 Generalsekretär der ÖVP und damit als Parteimanager für den Wahlkampf verantwortlich. Es könnte als wieder einmal ungemütlich werden für einen ÖVP-Bundeskanzler in der Alpenrepublik. Die Bevölkerung scheint es zumindest gelassen zu nehmen. Der Volkspartei ist wohl zurzeit alles zuzutrauen.


Redaktionsschluss: 18:15
Weekly 23/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

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