Weekly, KW25
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Es lief was diese Woche:
Schweizer Messenger-Dienst Threema eckt in Russland an.
Der Dienst wurde von einem Moskauer Gericht zu einer Busse in der Höhe von 14’200 Euro verurteilt. Der Schweizer Messenger-Dienst - der grossen Wert auf Datenschutz seiner Nutzer_innen legt und im Gegensatz zu seiner Konkurrenz komplett ohne Registrierung mit Mobilnummer oder E-Mail benutzt werden kann - habe die Vorschriften im russischen Anti-Terror-Gesetz missachtet.
Gemäss dem müssen Telekommunikationsunternehmen Daten wie Telefonate, SMS, E-Mails, Videos und Fotos bis zu einem halben Jahr auf ihren Server abspeichern und bei Verlangen dem russischen Geheimdienst FSB weiterleiten.
Das Unternehmen beabsichtige nicht, die Geldstrafe zu akzeptieren oder zu begleichen, sagte Threema-Chef Martin Blatter zur Zeitung “Welt am Sonntag”.
Threema müsse sich an Schweizer Gesetze halten, und diese erlauben keine Weitergabe personenbezogener Daten an Drittstaaten, schon gar nicht an kriegsführende, ergänzte ein Sprecher des Unternehmens.
Historische Wahl zum Ersten.
Letzten Sonntag wählte das südamerikanische Land Kolumbien. Und die wahlberechtigten Personen wählten den Befreiungsschlag. Zumindest so wurde es in den Nachrichten betitelt.
Linke Kandidaten hatten in einem der konservativsten Länder Südamerikas bisher noch nie eine Chance. Damit ist der Triumph des 62-jährigen Gustavo Petro ein Beispiel dafür, wie weit verbreitete Unzufriedenheit eine regierende Elite erschüttern kann. Petro gewann die Wahl gegen den millionenschweren Immobilien-Unternehmer Rodolfo Hernández mit einem unerwartet grossen Vorsprung von rund 700’000 Stimmen.
Gustavo Petro erhielt die Stimmen vor allem von jungen und armen Kolumbianerinnen und Kolumbianern, die auf einen Wandel hoffen. Einen Wandel, der ihnen schon lange versprochen wurde, der aber nicht eingetreten ist. Viele haben genug: Fast die Hälfte der Bevölkerung ist arm, fast nirgends auf der Welt ist der Reichtum so ungleich verteilt – und das Bildungssystem ist so teuer, dass viele Jugendliche keine Perspektiven sehen.
Der Sieg von Gustavo Petro ist eine Zeitenwende für Kolumbien: Er will das Land grundsätzlich verändern – den Sozialstaat ausbauen, die Reichen stärker besteuern, den Energiesektor umbauen.
Der Sieg von Gustavo Petro ist bemerkenswert. Denn jahrzehntelang kämpften die Regierungen gegen brutale linke Guerillagruppen und nun kommt ausgerechnet ein ehemaliger Guerillakämpfer an die Spitze des Landes. Das zeigt eine gewisse Versöhnung mit linker Politik, denn seit gut fünf Jahren gibt es einen Friedensvertrag mit der ehemals grössten Guerillagruppe FARC. Für viele wurden linke Parteien so zu einer wählbaren Alternative.
Historische Wahl zum Zweiten.
Ebenfalls letzten Sonntag wurde in Frankreich das Parlament gewählt. Die Wahl war insbesondere für den wiedergewählten Emmanuel Macron von Bedeutung, da dieser auf eine Mehrheit angewiesen ist, um seine Wahlversprechen auf einfach umsetzen zu können.
Dies wurde ihm verwehrt. Macrons Parteienbündnis hat die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung mit 245 Sitzen deutlich verfehlt, nötig wären 289 gewesen.
Nupes, die Allianz aus linken und grünen Parteien, kam auf 131 Sitzen. Grosser Gewinner ist hingegen der rechtsradikale Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, der künftig 89 Abgeordnete stellen wird - 2017 hatte der RN noch acht Sitze erreicht.
Emmanuel Macron wird in seiner Amtszeit nun einiges anders machen müssen: Dank der eigenen Mehrheit konnte er in den vergangenen fünf Jahre seine Politik durchziehen, ohne sich gross um die Opposition im Parlament zu kümmern. Nun wird dieses plötzlich wichtig. Und damit auch Koalitionen mit anderen Parteien. Ist diese Zusammenarbeit etwa in Deutschland gang und gäbe, ist sich das politische Frankreich gewohnt, dass die regierende Partei auch die Mehrheit in der Legislative hält.
Macrons Allianz ging vor dem zweiten Wahlgang zu Nupes und RN gleichermassen auf Distanz. Logische Koalitionspartner wären demnach Les Républicains, die 61 Abgeordnete stellen. Doch die bürgerlich-konservative Partei erteilte ersten Sondierungen eine Abfuhr. Auch mit den Sozialisten, den Kommunisten und Marine Le Pen hat Macron Gespräche geführt. Schon zuvor kündigten mehrere Leute aus Macrons Partei an, bei gewissen Vorlagen mit Le Pens Partei zusammenarbeiten zu wollen – ein Tabubruch, denn bisher galt für Frankreichs Parteien: Niemand kooperiert mit Rechtsextremen. Stabile Mehrheiten zu bilden, dürfte aber in jedem Fall schwierig werden. Bereits wird über Neuwahlen spekuliert.
Historische Entscheide in Deutschland und den USA.
Das oberste Gericht in den USA - dem Supreme Court - hat mit einer wegweisenden Entscheidung das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt.
Gleichentags entschied der deutsche Bundestag die Aufhebung des umstrittenen Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche.
Deutschland:
Paragraf 219a im deutschen Strafgesetzbuch ist seit Jahren umkämpft, nun gehört er der Geschichte an. Er regelt bisher das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Zugleich führte er aber bislang auch dazu, dass Ärzt_innen keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten können, ohne Strafverfolgung fürchten zu müssen.
Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion. Union und AfD stimmten dagegen.
Marco Buschmann, deutscher Justizminister, nannte die Abschaffung überfällig: “Es ist höchste Zeit”. Wenn eine Frau sich mit der schwierigen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruch befasse, suche sie heutzutage “in aller Regel” zunächst im Internet nach Informationen. Dort könne “jeder Troll und jeder Verschwörungstheoretiker” Dinge zu dem Thema verbreiten - hochqualifizierten Fachpersonen sei es jedoch verboten, führte der FDP-Politiker aus.
Wie zu erwarten kam aus den Rängen der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und Alternative für Deutschland (AfD) scharfe Kritik. Auch die katholische Kirche bedauerte die Entscheidung.
Neben der Streichung sieht der Bundestagsbeschluss vor, dass Urteile gegen Ärztinnen und Ärzte, die seit 3. Oktober 1990 auf Basis des Paragrafen ergangen sind, aufgehoben werden. Das betrifft etwa die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel, die 2017 auf der Grundlage von 219a verurteilt worden war und seit Jahren für die Abschaffung des Paragrafen kämpft. Sie sass zusammen mit anderen Ärzt_innen im Bundestag auf der Besuchertribüne.
USA:
Der Supreme Court hebt das fast fünfzig Jahre alte Grundsatzurteil “Roe vs. Wade” auf. Damit gilt kein nationales Recht mehr auf Schwangerschaftsabbruch. Fast die Hälfte der Bundesstaaten dürfte den Eingriff ganz verbieten.
«Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung», heisst es in der Urteilsbegründung. Die liberalen Richter übten scharfe Kritik am Urteil der konservativen Mehrheit. Es «hat zur Folge, dass eine Frau vom Moment der Befruchtung an keine nennenswerten Rechte mehr hat», schreiben Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan in einer gemeinsam verfassten abweichende Meinung. «Der Staat kann sie zwingen, eine Schwangerschaft zu Ende zu bringen, selbst wenn dies mit hohen persönlichen und familiären Kosten verbunden ist.»
Kritik kam von demokratischer Seite. Präsident Joe Biden kündigte an, ein Gesetz in den Kongress einzubringen, das die Supreme-Court-Entscheidung aushebeln soll. Doch dort haben die Demokraten derzeit nur eine knappe Mehrheit.
Ex-Präsident Donald Trump lobte hingegen die Entscheidung als «Gewinn für das Leben». Die Entscheidung sei nur möglich gewesen, weil er drei konservative Richter an das Oberste Gericht berufen habe. «Es war mir eine grosse Ehre, das zu tun», so Trump. Trotz der «radikalen Linken» bestehe noch Hoffnung, das Land zu retten.
Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi nannte hingegen die Entscheidung einen “Schlag ins Gesicht für Frauen”. Die Beschränkung von Abtreibung sei erst der Anfang, warnte sie. «Das ist todernst.» Die Demokratin Pelosi verwies auf die Kongresswahlen im November – dort stehe das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, auf dem Wahlzettel.
Und mit diesen Nachrichten verabschieden wir uns in die Woche 26. Kann ja fast nur noch besser werden.
Redaktionsschluss: 16:50
Weekly 25/2022
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