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Weekly, KW45

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Heute werfen wir einen Blick auf die Klimakonferenz in Ägypten, die Zwischenwahlen in den USA und das Kandidat:innen-Karussell der Schweizer Sozialdemokrat:innen.

Zwischenwahlen in den USA.

Am Dienstag fanden in den USA die wichtigen “Midterms”, also Zwischenwahlen, statt. Dabei wird eine grosse Zahl von öffentlichen Ämtern neu besetzt - auf Bundesebene, auf Ebene der Bundesstaaten und auf lokaler Ebene. Diese Wahlen finden exakt zur Halbzeit zwischen zwei Präsidentschaftswahlen statt, daher ihr Name.

Das stand zur Wahl:
Auf Bundesebene wurde das Repräsentantenhaus, die grosse Kammer des Parlaments mit 435 Sitzen, komplett neu gewählt. Im Senat, der kleinen Kammer, stand rund ein Drittel, also 35 der 100 Sitze, zur Wahl. Im Repräsentantenhaus verfügten die Demokraten bisher über eine kleine Mehrheit. Hauchdünn war sie in den vergangenen zwei Jahren im Senat: Beide Parteien hielten dort je 50 Sitze, weil aber Vizepräsidentin Kamala Harris dem Senat vorsitzt, kann sie per Stichentscheid zugunsten der Demokraten entscheiden.

Verlieren die Demokraten die Mehrheit im Kongress, werden die nächsten zwei Regierungsjahre für Präsident Biden deutlich schwieriger.

Das wurde erwartet:
Midterms sind eine Art Referendum über den amtierenden Präsidenten. Die regierende Partei verliert in der Regel immer Sitze. Von vielen Wahl-Beobachter:innen war die Rede von einer “roten Welle” (rot für die Parteifarbe der Republikaner), und bezweifelten, dass die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus halten können.

Das wurde gewählt:
In vielen Staaten ist bereits vor der Wahl klar, welche Partei gewinnen wird, interessant wird es bei den sogenannten “Swing States” welche von beiden Parteien hart umkämpft werden und sich die Mehrheit der Wahlbevölkerung nicht auf eine Partei fixiert hat. 

In genau diesen Bundesstaaten dauert die Wahl auch deutlich länger. Bis zuletzt hing die Frage über die Mehreit des US-Senats an drei Staaten: Arizona, Nevada und Georgia. In letzterem wird die Entscheidung erst am 6. Dezember fallen, dann kommt es zu einer Stichwahl. Am Samstagmorgen Schweizerzeit wurde der Sieg der Demokraten im Bundestaat Arizona verkündet. Nevada schloss sich in der Nacht zu Sonntag an, wo der Sieg der Demokratin Catherine Cortez Masto verkündet wurde. Damit kommen die Demokraten nun auf 50 von 100 Sitzen in der Kammer und ihnen ist die Senatsmehrheit bereits sicher, auch wenn das Rennen um den Sitz in Georgia noch offen ist. 

In der grossen Kammer, dem Repräsentantenhaus, liegen die Republikaner derzeit knapp mit 211 gegen 204 Sitzen vorne. Hier sind noch 20 Sitze offen.

Das zeigte die Wahl:
Das Rennen wurde knapper als gedacht und die “rote Welle” der Republikaner blieb aus. Auch bemerkenswert: Die Republikaner, die öffentlich vom ehemaligen Präsidenten Trump unterstützt wurden, schnitten schlecht ab und verloren Sitze, die normalerweise deutlich an die Republikaner gegangen wären. 

Und auch die Abtreibungsfrage schien bei den Zwischenwahlen wichtiger als in den Umfragen angenommen. Drei von zehn Personen haben gemäss Nachwahlbefragungen gesagt, dass ihnen das Thema Abtreibung sehr wichtig gewesen sei. Vier von zehn meinten, sie seien nach wie vor wütend über den Supreme-Court Entscheid, der das nationale Recht auf Abtreibung kippte und es wieder den einzelnen Bundesstaaten überlässt mit Gesetzen darüber zu entscheiden. Allerdings standen auch Wirtschafts- und Energiefragen weit oben auf der Liste der dringenden Punkte für die Wählenden.

Klimakonferenz in Ägypten.

Seit Montag läuft in Sharm el-Sheikh die 27. Ausgabe der UN-Klimakonferenz. Angereist sind etwa 30’000 Teilnehmer:innen aus fast 200 Staaten, um über mehr Anstrengungen zum Klimaschutz zu verhandeln. Aber die Energiekrise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, setzt viele Staaten unter Druck. Beobachter:innen warnen gar vor einem Scheitern der Konferenz.

Hintergrund: 
Der Sommer 2022 war der zweitwärmste Sommer in der Schweiz seit Messbeginn, ganz Europa ächzte unter der Hitze, im September kam es zu massiven und tödlichen Überschwemmungen in Pakistan. Der Einfluss der Klimakrise auf die Gesundheit ist dann auch eines der Themen, die diese Woche besprochen wurden. Das prominenteste Thema, das das erste Mal an einer Klimakonferenz diskutiert wurde, ist aber die Frage, wie die ärmsten Länder der Erde finanziell unterstützt werden, wenn sie Verluste und Schäden erleiden durch die Klimakrise.  Entwicklungsländer und Nichtregierungsorganisationen fordern seit Jahren eine Versicherung für diese Fälle. Reiche Industrieländer haben bisher abgeblockt aus Furcht, dass untragbare Kosten auf sie zukämen. Diese Angst ist nicht weg, jedoch finden zum ersten Mal Diskussionen darüber statt.

Derweil unterzeichnete die Schweiz ein Klimaschutzprojekt, das der Schweizer Bundesverwaltung zur Kompensation von Treibhausgasemissionen dienen soll. Konkret sollen in Ghana klimafreundlichere Methoden für den Reisanbau gefördert werden. Das Abkommen ist eine Folge des “Klimapaket Bundesverwaltung”, das der Bundesrat 2019 beschlossen hat. Dieses sieht vor, dass die zivile Verwaltung und ihre dezentralen Einheiten, wie etwa die Eidgenössischen Hochschulen ETH und EPFL, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2006 senken sollen. Die verbleibenden Emissionen sollen bis 2030 mit Klimaschutzprojekten im Ausland kompensiert werden.

Was jetzt passiert:
Der internationale Klimaschutz steht an einem Scheidepunkt. Entstanden in Friedenszeiten - bei der ersten Klimakonferenz 1992 war der Kalte Krieg ganz frisch Geschichte - steht die Welt heute an einem anderen Punkt. Mit dem Krieg in der Ukraine ist die Welt in eine fossile Energiekrise ohne Beispiel gestolpert. Doch statt deshalb die Abkehr von fossiler Energie voranzutreiben, drehen sich weltweit die Bohrgestänge, und selbst Deutschland diskutiert wieder über Gasförderung per Fracking - die gestiegenen Preise machen das fossile Geschäft scheinbar rentabel. Den grössten Profit schlagen aus alldem die Ölmultis und staatliche Rohstoffmonopolisten - also diejenigen, deren Geschäftsmodelle die globale Klimapolitik eigentlich beerdigen sollte. Deshalb ist es so entscheidend, dass Industriestaaten den grünen Umbau nicht nur fortsetzen, sondern forcieren. Denn fossile Energien lassen sich nur zurückdrängen, wenn sich die Alternativen bewähren und rechnen. 

Es bleibt spannend, was die nächste Konferenzwoche bringt. Noch bleibt Hoffnung. Das Experiment Klimapolitik benötigt Kooperation, Allianzen und Partnerschaften, anders kann es auch nicht funktionieren. Noch ist es nicht gescheitert. Und es gibt da noch einen Antrieb zur Umkehr, der allen vor Augen stehen muss: die blanke Not, etwas zu ändern.

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

4 Kandidat:innen für den SP-Bundesratssitz:
Bis Sonntag haben sich die Berner Regierungsrätin Evi Allemann und die Ständerätinnen Eva Herzog aus Basel-Stadt und Elisabeth Baume-Schneider aus dem Jura für eine Kandidatur entschieden. Die 2019 zurückgetretene Aargauer National- und Ständerätin Pascale Bruderer entschied sich gegen eine Kandidatur. 

Für Diskussionen sorgte bereits letzte Woche der Entscheid der SP-Parteileitung, dass dem Parlament ein Ticket mit zwei SP-Frauen zur Wahl gestellt werden soll. Öffentlich echauffierte sich darüber SP-Nationalrat Daniel Jositsch, der sich aufgrund seines Geschlechts diskriminiert fühlte. Er kündigte am Dienstag als erste SP-Persönlichkeit ebenfalls eine Kandidatur an. Noch ist unklar, wie die Partei damit umgehen wird. Die Fraktion der Partei, also alle National- und Ständerät:innen der SP, werden Ende November das offizielle Ticket wählen. Ob sie sich an den Entscheid der Parteileitung halten und nur Frauen vorschlagen, ist offen. Das Ticket ist auch nur der Vorschlag der Partei an die Bundesversammlung. Gewählt werden kann jede Schweizer Bürgerin oder Bürger über 18 Jahre. Normalerweise hält sich die Bundesversammlung an diese Partei-Empfehlung, einfach schon nur deshalb. dass der Haussegen in Bundesbern nicht schief hängt.

Rückzug Russlands aus Cherson:
Russland hat diese Woche den Abzug russischer Truppen aus der umkämpften Stadt Cherson bestätigt, trotzdem bleibe die Region weiterhin Teil der Russischen Föderation, gab ein Kreml-Sprecher bekannt. 

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski berichtet von massiven Zerstörungen in der Region. Vor der Flucht aus Cherson seien durch die Besatzer wichtige Infrastruktur wie Kommunikation, Wasserversorgung, Heizung und Strom zerstört worden. Ausserdem haben ukrainische Sicherheitskräfte mit der Räumung von Minen in der Region begonnen. 2’000 Sprengsätze seien bereits entschärft worden.

In der Stadt Cherson war nach acht Monaten russischer Besatzung wieder ukrainisches Fernsehen zu empfangen.


Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag!

Korrektur: Im Text über die SP-Bundesratskandidat:innen haben wir fälschlicherweise von drei offiziellen Kandidierenden gesprochen. Selbstverständlich hat sich auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann für das Amt als Bundesrätin ausgesprochen. Somit sind vier Kandidaturen bis zum Redaktionsschluss bekannt gewesen. Der Text wurde inhaltlich angepasst.


Redaktionsschluss: 15:40
Weekly 45/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

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