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Weekly, KW49

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Es war eine ereignisreiche Woche, und damit erwartet dich auch ein gut gefülltes Weekly. Heute mit den Absichten: zu retten was zu retten ist in Kanada, zu korrumpieren in Brüssel, zu demokratisieren im Sudan und zu putschen in Deutschland.

Razzien wegen geplantem Staatsputsch in Deutschland.

Eine bewaffnete Gruppe aus Reichsbürgern und Querdenkern soll einen Umsturz geplant haben. Unter den 52 Beschuldigten sind ein Prinz, Ex-Elitesoldaten und eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete. Die meist rechtsgerichteten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an.

Hintergrund:
Am frühen Mittwochmorgen griffen rund 3’000 Polizist:innen in elf deutschen Bundesländern, Österreich und Italien zu. Spezialkräfte der Bundespolizei stürmten Wohnungen der Beschuldigten, vollstreckten 25 Haftbefehle und begannen mit umfangreichen Durchsuchungsmassnahmen in mehr als 130 Häusern, Wohnungen und Büros. 

Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft rund 50 Frauen und Männern vor, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, um eine verfassungsmässige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und einen Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 zu errichten. Unter anderem soll die Gruppe geplant haben, das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen, durch Anschläge auf die Stromversorgung bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen, sowie die Bundesregierung abzusetzen, um dann die Macht zu übernehmen. 

Da ein erheblicher Teil der Gruppe aus ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und der NVA (Nationale Volksarmee der DDR) besteht und darunter auch Männer mit militärischer Spezialausbildung sind, gilt die Gruppe als besonders gefährlich. Neben Einsatzkräften der Antiterroreinheit GSG 9 der Bundespolizei waren auch Beamte aus mehreren Spezialeinheiten der Bundesländer im Einsatz, um die Beschuldigten festzunehmen und die Sicherheit bei Durchsuchungen zu gewährleisten. Denn schon im Vorfeld hatten die Ermittler Hinweise auf zahlreiche, teilweise legale Waffen bei den Beschuldigten.

Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe «Vereinte Patrioten» sein, die im April festgenommen worden waren und geplant haben sollen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen.

Was jetzt passiert:
Von den 25 festgenommenen Personen wirft die deutsche Bundesanwaltschaft 22 vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. 3 weitere Personen gelten als mutmassliche Unterstützer:innen. 

Bei 19 Verdächtigen wurden die Haftbefehle umgehend vollzogen, sie befinden sich nun in Untersuchungshaft. Insgesamt gibt es 54 Beschuldigte, es wird deshalb mit weiteren Haftbefehlen gerechnet. Für alle Festgenommenen gilt die Unschuldsvermutung.

Unter den Verdächtigen ist zudem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie sass von 2017 bis 2021 im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und war zuletzt am Landgericht Berlin tätig.

Die Razzia löste grosses Medienecho aus, auch weltweit. Häufig wurden Parallelen mit dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 gezogen, bei dem Trump-Anhänger die offizielle Verkündung der Wahl von Joe Biden verhindern wollten. 

Die deutsche Innenministerin Nancy Fraeser (SPD) sagte Reichsbürger:innen den Kampf an. “Militante Reichsbürger verbindet der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen einstehen”, so Fraeser. “Unser Rechtsstaat ist stark”, erklärte die Innenministerin. “Wir wissen uns mit aller Härte gegen die Feinde der Demokratie zu wehren''.

Für Diskussionen sorgte die mediale Begleitung des Polizei-Einsatzes. Als am Mittwochmorgen die Handschellen klickten, hatten Fotograf:innen und Kamerateams bereits Position bezogen, schreibt das Nachrichtenmagazin t-online. Mittlerweile ist von möglichem Geheimnisverrat die Rede. Denn klar ist: Sowohl der Zeitpunkt als auch die Orte des Zugriffs sowie vermutlich auch die Zielpersonen waren mehreren Medien bereits Tage im Voraus bekannt. Es gab wohl kaum eine grössere Redaktion in der Republik, die nicht zumindest wusste, dass am Mittwochmorgen eine grosse Razzia gegen die Szene bevorstand. Es werde wohl viele Exklusivmeldungen am morgigen Tag geben, schrieb ein öffentlich-rechtlicher Journalist noch am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Er behielt recht.

Korruptionsverdacht bei der EU in Brüssel.

Das Parlament der Europäischen Union steht im Fokus umfangreicher Ermittlungen wegen “bandenmässiger Korruption und Geldwäsche”. Die belgische Polizei informierte über insgesamt 16 Durchsuchungen am Freitag. Dabei wurden Datenträger und Mobiltelefone sowie Bargeld in der Höhe von rund 600’000 Euro beschlagnahmt. Fünf Personen wurden festgenommen - darunter eine Vizepräsidentin des Parlaments: Die Griechin Eva Kaili wurde bereits am Freitagabend aufgrund der Ermittlungen aus ihrer sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen.

Hintergrund:
Laut offiziellen Angaben geht es um mutmassliche Bemühungen “eines Golfstaates” mit dem Ziel, “die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen, indem er beträchliche Geldsummen zahlt oder bedeutende Geschenke macht”. Die belgische  Bundesanwaltschaft nannte den Namen des betroffenen Staates nicht - mit den Ermittlungen vertrauten Kreise bestätigten indessen, dass es sich um Katar handelt. 

Vizepräsidentin Kaili hielt noch am 21. November eine Rede im EU-Parlament zur derzeit laufenden Fussball-Weltmeisterschaft in Katar. In dieser nannte sie Katar unter anderem “führend bei den Arbeitsrechten”. 

Ein Parlamentssprecher wollte sich auf Nachfrage nicht zu den laufenden Ermittlungen äussern. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren, versicherte er. Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe “Anti-Korruption” im EU-Parlament zeigte sich von den Ermittlungen geschockt: “Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden”. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas grösstem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust, so der EU-Abgeordnete. 

Für alle Festgenommenen gilt die Unschuldsvermutung.

Weltnaturgipfel in Kanada.

Diese Wochen trafen sich in Montréal die UN-Staaten zum Biodiversitätsgipfel (COP15), wo in den nächsten zwei Wochen ein Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt auf der Erde beschlossen werden soll. 

UN-Generalsekretär António Guterres rief mit deutlichen Worten zum “Friedensschluss mit der Natur” auf. Mit dem bodenlosen Appetit auf unkontrolliertes und ungleiches wirtschaftliches Wachstum sei die Menschheit zu einer “Massenvernichtungswaffe” geworden. Die Menschheit behandle die Natur wie eine Toilette. “Und letztendlich begehen wir damit stellvertretend Suizid, denn der Verlust von Natur und Artenvielfalt geht mit gewaltigen Kosten für die Menschheit einher”.

Organisatoren, Wissenschaftlerinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen erhoffen sich von dem bis zum 19. Dezember angesetzten Treffen ein richtungsweisendes globales Abkommen für den Artenschutz. Eines der Hauptziele der Konferenz ist es, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen. Eine wichtige Rolle bei den anstehenden Verhandlungen spielt auch eine solide Finanzgrundlage für den globalen Artenschutz.

Erwartungen an den erfolgreichen Abschluss eines Abkommens sind derzeit allerdings gedämpft. Voverhandlungen brachten in einer dreitägigen Dringlichkeitssitzung keine Ergebnisse, alle wesentlichen Fragen seien umstritten. So verweigerten etwa Brasilien und Argentinien, die beide stark von Agrarexporten abhängig sind, jegliche Zugeständnisse mit Blick auf die Ausweisung grossräumiger Schutzgebiete und Einschränkungen für die Landwirtschaft. Island habe Fortschritte für eine nachhaltigere Fischerei blockiert. Besonders umkämpft sind weiter alle Finanzthemen.

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

Polit-Chaos in Peru:
Der peruanische Präsident Pedro Castillo wollte am Mittwoch den Kongress auflösen, um einen Misstrauensvotum gegen ihn zuvorzukommen. Anschliessend sollte eine Notstandsregierung eingesetzt und per Dekret regiert werden. Das Kabinett und auch die Opposition sahen einen drohenden Staatsstreich und enthoben Castillo wegen “dauerhafter moralischer Ungeeignetheit” des Amtes. Am Ende des Tages sass Pedro Castillo in der Hauptstadt Lima in Haft. Gegen ihn laufen eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren wegen Korruptions- und Plagiatsvorwürfen. 

Nachfolgerin wurde Dina Boluarte, Vizepräsidentin unter Castillo. Sie ist damit die erste peruanische Präsidentin. 

Castillos Regierung stand seit seinem Amtsantritt im Juli 2021 unter Druck. Wegen verschiedener Vorwürfe und Meinungsverschiedenheiten räumten immer wieder wichtige Minister:innen ihre Posten. Seit seinem Amtsantritt hat Castillo bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden.


Sudan versucht den Weg zur Demokratie:
Nach einem Jahr voller Gewalt haben im Sudan Militärführung und zivile Parteien ein Abkommen unterzeichnet. Es soll langfristig die Rückkehr einer zivilen Regierung ebnen. 

Sudans Militärmachthaber General Abdel Fattah ab-Burhan hat im Oktober 2021 die Macht übernommen, nachdem die zivil-militärische Regierung mit dem zivilen Bündnis “Kräfte für Freiheit und Wandel” (FFC-CC) von den Streitkräften gestürzt wurde. FFC-CC und Militär setzten nun in der Hauptstadt Khartum ihre Unterschrift unter die Vereinbarung. Parallel dazu demonstrierten Hunderte von Bürger:innen gegen das Abkommen. Vor allem viele junge Menschen im Sudan lehnen die Vereinbarung ab, da “Forderungen der Strasse nach Gerechtigkeit für die seit dem Putsch getöteten Menschen ausser Acht gelassen werden”, wie ein Demonstrant erläuterte.

Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag!


Redaktionsschluss: 11:00
Weekly 49/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

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