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Weekly, KW50

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Heute mit streiklastigen Festtagen in Grossbritannien, prekärer Situation in Kinderkliniken und dem Abschluss der Wintersession in Bundesbern.

Streik in Grossbritannien.

Die britische Insel erlebt derzeit einen Streik nach dem Anderen. Am Donnerstag gingen rund 100’000 Pflegepersonal auf die Strasse. Britische Krankenpfleger:innen in England, Wales und Nordirland haben diese Woche zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einen zwölfstündigen Streik organisiert. Das medizinische Personal fordert eine Lohnerhöhung von 19 Prozent, nicht nur wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten, sondern auch, um damit vernachlässigte Gehaltserhöhungen des letzten Jahrzehnts auszugleichen. 

Und die Streikwelle endet nicht mit dem Pflegepersonal und schon gar nicht über die Festtage. Grossbritannien bereitet sich auf eine chaotische Weihnachtszeit vor. 

Die täglich in der BBC verlesene Liste der Arbeitsniederlegungen wird immer länger. Weihnachtsgeschenke sollten frühzeitig verschickt werden, die Angestellten der Royal Mail kündigten an, am 24. Dezember zu streiken, bereits Tage vorher, am 20. Dezember streiken Pflegeangestellte in 53 Spitälern erneut, einen Tag darauf legen einige Tausend Ambulanz-Fahrer:innen ihre Arbeit nieder. 

Und vom 24. bis 27. Dezember streikt die Eisenbahnergewerkschaft, was Familienbesuche mit dem öffentlichen Verkehr wenig aussichtsreich macht. Doch auch Fliegen wird nicht einfacher. Ab dem 22. Dezember streiken neben Reinigungskräften auch die Grenzbeamt:innen an den grössten britischen Flughäfen.

Hintergrund:
Die Streiks seien notwendig, auch wenn so praktisch das ganze Land in Geiselhaft genommen werde, sagt Gewerkschaftschef Mick Lynch gegenüber dem Sender Sky: Die aktuelle Lohnpolitik sei eine Geringschätzung der britischen Angestellten. Die Inflation betrage elf Prozent und die Leute wüssten nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten. Ohne Lohnerhöhungen würden die Menschen in Armut getrieben, so Lynch. 

Tatsächlich treiben die steigenden Preise für Lebensmittel und Energie immer mehr Leute an die Armutsgrenze. Eine Pflegefachfrau schilderte Radio SRF kürzlich, dass sie mit ihrem Gehalt von rund 30’000 Franken pro Jahr ihre Familie nicht mehr ernähren könne und auf Lebensmittelspenden angewiesen sei. Eine Mehrheit der Britinnen und Briten hat Umfragen zufolge dementsprechend auch Verständnis für die Arbeitsniederlegungen.

Was jetzt passiert:
Nicht erfreut ist dafür Premier Rishi Sunak. Seine Regierung erarbeitet einen Gesetzesentwurf, der Streiks in systemrelevanten Bereichen wie Bahn oder Gesundheitsdiensten verbieten würde. Ein solches Gesetz noch in diesem Jahr durchs Parlament zu bringen, ist allerdings ziemlich illusorisch. Das weiss auch Sunak, aber er muss handeln, denn wenn die Insel an Weihnachten im Chaos versinkt, wird die Öffentlichkeit jemanden dafür verantwortlich machen. 

Einen Teil des Chaos soll nun das britische Militär abwenden. Rund 1’200 Mitglieder der Streitkräfte sollen im Gesundheitsdienst und Grenzschutz aushelfen, wie die britische Regierung gestern bekannt gab. Darunter seien 600 Soldat:innen, die Ambulanzen fahren können. Andere sollen an Flughäfen bei der Grenzkontrolle aushelfen. Dafür gab es bereits entsprechende Trainings für das Militär.

Prekäre Lage in Kinderkliniken.

Landesweit stecken Kinderspitäler wegen der vielen Atemwegsinfektionen durch das RS-Virus in einer Notsituation. Kinder müssen in Notfall-Kojen ausharren, bis ein Bett auf der Station für sie frei wird. 

Der Bettenmangel in schweizer Kinderkliniken sei auch selbstverschuldet, sagt der Vizepräsident des Vereins Pädiatrie Schweiz, Nicolas von der Weid: Zehn bis 15 Prozent der Spitalbetten seien in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen worden, so der Kinderarzt. Von der Weid fordert in der Sendung “Rundschau” von Fernsehen SRF eine Reserve für unvorhergesehene Fälle: Medizin könne kein Geschäft sein.

Nicht nur fehlende Betten bereiten Kinderkliniken Sorgen, sondern auch Personalmangel - vor allem auf den Intensivstationen. Auch deshalb können zusätzliche Betten nicht in Betrieb genommen werden.  In der Kinderklinik am Inselspital Bern komme es zu Doppelschichten. Das heisst, Pflegende arbeiten 16 Stunden am Stück. Rein rechtlich sind Doppelschichten in Ausnahmefällen möglich, doch Michael von der Weid vom Verein Pädiatrie Schweiz sagt dazu: “Das ist eine Katastrophe. Das erhöht alle Risiken. Die Fehler werden zunehmen.”

Auch Deutschland hat mit dem RS-Virus und überlasteten Kinderkliniken zu kämpfen. Das Deutsche Rote Kreuz meldet zunehmend auch Drohungen und Gewalt gegen das Gesundheitspersonal. Aufgrund der Personalknappheit und des Zeitdrucks sei eine gute Einbindung der Eltern oft nicht gut möglich, was wiederum zu Informationsverlusten, häufigere Beschwerden und wachsender Anspannung auf allen Seiten führt. Zugleich müssten Eltern teils stundenlang in den Notaufnahmen sitzen oder kranke Kinder auf Krankenhausfluren übernachten, so das Deutsche Rote Kreuz. Abhilfe zu schaffen, sei kurzfristig kaum möglich. Auch in Deutschland fehle das Personal dafür.

Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RS-Virus, führt zu teilweise schweren Krankheitsverläufen bei Frühgeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern mit Vorerkrankungen. Das Virus befällt die oberen und unteren Atemwege. 

Es wird vermutet. dass sich die Kinder während den Corona-Massnahmen in den vergangenen Jahren seltener mit dem RS-Virus angesteckt haben und viele nun die Infektion “nachholen”.

Wintersession beendet.

Am Freitag ging in Bundesbern die Wintersession im National- und Ständerat zu Ende. In der Schlussabstimmung verabschiedete das Parlament 18 Vorlagen. Die wichtigsten Entscheide in der Übersicht:

OECD-Unternehmenssteuer:
Die globale Mindeststeuer für Konzerne ist ein Projekt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD. Die Schweiz ist Mitglied der OECD und macht bei der Reform mit. Die Grundidee: Grosse, international tätige Unternehmen sollen überall möglichst ähnlich besteuert werden. Der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern wird dadurch limitiert. Das Parlament debattierte in der Session nun darüber, wie die Erträge aus dieser Steuer in der Schweiz aufgeteilt werden sollen. Der Nationalrat wollte ursprünglich dem Bund und den Standortkantonen der betroffenen Unternehmen je die Hälfte der Mehrerträge zukommen lassen. Der Ständerat plädierte für die Aufteilung von einem Drittel an Bund und zwei Drittel an die Kantone. In der Schlussabstimmung bestätigten beide Parlamentskammern diese Aufteilung. Die Verfassungsänderung zur OECD-Mindeststeuer unterliegt dem obligatorischen Referendum, sodass es die Zustimmung von Volk und Ständen braucht. Die Abstimmung dazu erfolgt am 18. Juni 2023.


Aufweichung des Wolfschutzes:
Kantone sollen neu die wachsende Wolfspopulation vom 1. September bis zum 31. Dezember mit Zustimmung des Bundes präventiv regulieren können, um Schäden und Gefährdungen zu verhindern. Das beschliesst das Parlament in einer Änderung des Jagdgesetzes. Damit dürfen Wölfe neu auch dann geschossen werden, wenn sie noch gar keine Schäden angerichtet haben. Der proaktive Eingriff auch in ganze Wolfsrudel darf aber die Population nicht gefährden. Voraussetzung ist auch, dass der Herdenschutz weder möglich noch zumutbar ist.

Umsetzung der Pflege-Initiative nimmt Fahrt auf:
Ebenfalls final verabschiedet hat das Parlament das Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege, womit die Pflege-Ausbildungsoffensive, die den Schweizer Spitälern und Heimen zum benötigten Pflegepersonal verhelfen soll, starten kann. Die Vorlage sieht vor, dass sich die Kantone finanziell an den Kosten der praktischen Ausbildung in den Gesundheitseinrichtungen beteiligen und angehende Pflegefachpersonen in Ausbildung an einer höheren Fachschule (HF) oder Fachhochschule (FH) Ausbildungsbeiträge erhalten. Ein weiteres Ziel ist es, über Beiträge der Kantone und des Bundes die Anzahl Abschlüsse in Pflege an den HF und FH zu erhöhen. 

Die weiteren Punkte der vor einem Jahr an der Urne angenommenen Verfassungsbestimmung will die Landesregierung in einer zweiten Etappe angehen. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, die berufliche Weiterentwicklung und die bessere Abgeltung für Pflegeleistungen.

Und zum Schluss: Einschaltempfehlung.

Heute ab 20:05 gibt es auf SRF1 ein Wiedersehen mit den Kultcops aus dem Wallis. Die Serie “Tschugger” geht in eine zweite Staffel. Standen in der ersten Staffel noch die Kleinkriminiellen im Fokus, geht es in der zweiten nun um alles. Der SuperCop Bax (David Constantin) hat die ganze Polizeistation gegen sich aufgebracht und sein bester Freund Pirmin (Dragan Vujic) wurde nach einem unfreiwilligen Drogenexzess in die verstaubte Gemeindebibliothek strafversetzt. Doch Bax glaubt, einer riesigen Verschwörung auf der Spur zu sein. Helfen kann hier nur noch der schusselige Praktikant Smetterling (Cédric Schild)

Oder wie es das SRF schreibt: Kann das Wallis noch vor dem Weltuntergang gerettet werden?

Und so gross und gefährlich, wie es sich anhört, fühlt es sich auch an. Weiterhin überzeugt die Walliser-Serie mit grossartigen (Laien-)Schauspieler:innen, einem Bildstil wie aus den 80er und enorm gutem Sound-Mixing. 

“Tschugger” ist eine Koproduktion von Shining Film mit SRF und Sky Schweiz. Geschrieben wurden die Drehbücher im SRF Writer’s Room unter der Leitung von David Constantin und Mats Frey (“How to sell drugs online (fast)”). Die zweite Staffel läuft ab heute Abend auf SRF1 und Play Suisse



Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir hören uns nächsten Sonntag :)


Redaktionsschluss: 13:00
Weekly 50/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

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