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Weekly, KW52

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Weekly am 01.01.2023 rethink

Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Heute mit Netanjahu, der von der Anklagebank ins Regierungsamt wechselt, Suu Kyi, die vom Regierungsamt auf die Anklagebank geputscht wurde, und dem Euro. In Kroatien. Ab heute.

Israels neue Regierung.

In Israel wurde am Donnerstag eine neue Regierung unter Benjamin Netanjahu im Amt vereidigt. Der frühere Langzeit-Ministerpräsident kehrt damit nach eineinhalb Jahren in der Opposition an die Macht zurück. Es ist bereits die sechste Regierung, die Netanjahu als Ministerpräsident anführt. In Israels Geschichte war niemand länger im Amt als er.

Hintergrund:
Benjamin Netanjahus Lager hatte bei der Parlamentswahl am 1. November eine klare Mehrheit erzielt. Es war bereits die fünfte Wahl innerhalb von dreieinhalb Jahren in Israel. 

Die Likud-Partei von Netanjahu koaliert zusammen mit dem rechtsextremen Religiös-Zionistischen Bündnis sowie zwei streng religiösen Parteien. Zusammen verfügen sie über 64 von 120 Sitzen im Knesset, dem israelischen Parlament. 

Es ist die am weitesten rechts stehende Regierung, die das Land je hatte. In ihr sitzen Minister:innen, die wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt wurden, die sich offen homophob äussern, die einen Torastaat fordern und die wegen Annahme von Bestechungsgeldern ins Gefängnis wanderten. Geführt werden sie vom Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der sich aktuell selbst vor Gericht gegen schwerwiegende Korruptionsvorwürfe verteidigen muss.

Was jetzt passiert:
Im Regierungsprogramm stehen Gesetzesinitiativen, die eine unabhängige Justiz einschränken, die Geschlechtertrennung bei gewissen öffentlichen Anlässen fordern und die die Rechte gleichgeschlechtlicher Beziehungen infrage stellen. Krankenhäuser und Hotels sollen das Recht bekommen, aus religiösen Gründen unliebsame Patient:innen und Gäste - vor allem aus der queeren Community - abzulehnen.

Benjamin Netanjahu folgt auf Jair Lapid, dessen Regierung ein vielfältiges Bündnis von rechts bis links, von jüdisch bis arabisch repräsentierte und für einen säkular definierten Staat und eine unabhängige Justiz stand. Auch bei den Wahlen im November erreichten die Parteien der alten Regierung etwa die Hälfte der Stimmen. Da aber einige von ihnen unter der 3.25-Prozent-Hürde blieben, eroberten die rechtsnationalen und ultraorthodoxen Parteien die absolute Mehrheit im Parlament. 

Dieses andere Israel der knapp Hälfte der Bevölkerung steht im Kontrast zur neuen Regierung für eine herausragende Start-Up-Nation, für ein Erziehungssystem mit einigen der weltbesten Universitäten, für die liberalste Gesellschaft im Umgang mit queeren Menschen im Nahen Osten wenn nicht in ganz Asien und für zahlreiche jüdisch-arabische Kooperationen. Der Graben zwischen dem liberalen, weltoffenen Tel Aviv und anderen Küstenstädten und dem fundamentalistischen Jerusalem wird immer wie offensichtlicher.

Serbien-Kosovo-Konflikt.

Im Konflikt zwischen Serbien und Kosovo zeichnete sich am Donnerstag eine Entspannung ab. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic teilte mit, dass sein Land mit dem Abbau der Strassenbarrikaden beginnen werde. Kosovo kündigte danach an, seinen grössten Grenzübergang zu Serbien wieder zu öffnen.

Hintergrund:
Die ehemalige serbische Provinz Kosovo, die mehrheitlich albanisch bewohnt ist, hat 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt. Serbien erkennt dies bis heute nicht an und betrachtet Kosovo als abtrünniges Gebiet. 

Die serbische Regierung bestärkt die serbische Minderheit, bestehend aus rund 50’000 Menschen in Kosovo, sich der Autorität der albanisch geprägten Verwaltung zu widersetzen. In den letzten Monaten schwelte der Konflikt weiter an, auch im Kontext des Ukrainekriegs. Serbien wird von Russland unterstützt. 

In den serbisch bewohnten Dörfern haben Kosovo-Serben seit Mitte Dezember Strassenblockaden errichtet. Nächtliche Schüsse auf Polizist:innen und einen Angriff mit einer Blendgranate auf eine Mission der Europäischen Union in Kosovo haben international die Sorge verstärkt. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Eskalation verantwortlich. 

Noch Anfang der Woche versetzte Serbien seine Streitkräfte in höchste Kampfbereitschaft. Die komplizierte Lage verlange, dass die serbische Armee entlang der sogenannten Verwaltungslinie mobilisiert werde. So wird in Serbien die Grenze zu Kosovo genannt. Die serbischen Truppen sind an der Grenze zu Kosovo bereits jetzt stark mobilisiert. Ihre Zahl sollte offenbar auf 5’000 Soldat:innen verdreifacht werden. Inwiefern die angekündigten Entspannungen Auswirkungen auf die Mobilisierung der Truppen haben, ist nicht bekannt.

Neue Währung und weniger Grenzkontrollen in Kroatien.

Kroatien führt heute als zwanzigstes Land den Euro als Währung ein. Seit 2013 ist Kroatien Mitglied der Europäischen Union, nun tritt es auch der Euro-Zone bei. Bis auf Dänemark sind alle Mitgliedstaaten der EU zur Einführung des Euros verpflichtet, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Das verfolgen mehrere Staaten, wie etwa Schweden, Polen oder Ungarn, eher schlecht als recht.

Bis am 14. Januar kann in Kroatien noch mit beiden Währungen bezahlt werden. Bis Ende 2023 dürfen Kuna aus den letzten Ferien umgetauscht werden.

Vor allem der Tourismus heisst die Änderung willkommen, andere trauern um die Währung Kuna. Das Land mit seiner langen Adriaküste und den zahlreichen malerischen Inseln und Buchten lebt massiv vom Tourismus. Für die ersten elf Monate 2022 verzeichnete das Land 16 Millionen ausländische Urlauber:innen.

Ebenfalls dem Tourismus dienen soll der Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum. Dem Schengen-Raum gehören derzeit 22 EU-Staaten sowie Norwegen, Liechtenstein, Island und die Schweiz an. An den Binnengrenzen zwischen diesen Staaten gibt es in der Regel keine stationären Grenzkontrollen. Es ist damit der weltweit grösste Raum der Reisefreiheit. Ab heute fallen somit auch die Kontrollen für die Ein- und Ausreise nach Kroatien. An den Flughäfen soll es ab Frühjahr 2023 keine Passkontrollen mehr geben.

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

Exxon Mobil klagt gegen EU-Übergewinnsteuer:
Der US-Energiekonzern Exxon Mobil hat eigenen Angaben zufolge beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage gegen die geplante EU-Übergewinnsteuer eingereicht. Mit der Steuer sollen Ölkonzerne einen Teil ihrer Rekordgewinne abgeben, die sie aufgrund der russischen Invasion der Ukraine erwirtschaftet haben. Mit den Mehreinnahmen durch diese Steuer will die EU die drastisch gestiegenen Energiekosten für ihre Bürger:innen senken. Exxon Mobil teilte mit, dass sich die Anfechtung nur gegen die “kontraproduktive Gewinnsteuer” und nicht gegen andere Elemente des Pakets zur Senkung der Energiepreise richte.

Haft für ehemalige Regierungspräsidentin in Myanmar:
Ein von der Militärjunta kontrolliertes Gericht in Myanmar hat die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi wegen mehrerer Korruptionsvorwürfe schuldig gesprochen. Insgesamt wurde die Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi wegen verschiedener angeblicher Vergehen - darunter Anstiftung zum Aufruhr - in 19 Urteilen zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt. Beobachter:innen sprachen von Schauprozessen und werteten die Anklagen als Versuch der Militärjunta, die eigene Macht zu sichern. 

Im November 2020 stürzte das Militär die Regierung von Aung San Suu Kyi, nachdem diese mit ihrer Partei Nationale Liga für Demokratie die Wahl deutlich gewonnen hatte. Die Generäle begründeten den Umsturz mit angeblichem Wahlbetrug, legten aber keine Beweise vor. Seither versinkt Myanmar in Chaos und Gewalt. Gefangenenhilfsorganisationen zufolge wurden seit dem Putsch mehr als 2’600 Menschen getötet und mehr als 16’000 festgenommen.


Mehr getötete Journalist:innen:

Im Jahr 2022 sind nach Angaben des Internationalen Presse-Instituts weltweit 66 Medienschaffende wegen ihres Berufs ums Leben gekommen. 2021 waren es 45 Todesfälle. Der Anstieg gehe auf eine Spirale der Gewalt in Mexiko und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zurück. 

Mindestens 39 der 66 Journalist:innen seien gezielt getötet worden, etwa, weil sie über Korruption oder die organisierte Kriminalität in ihren Ländern berichteten. Andere seien bei der Ausübung ihrer Arbeit umgekommen. 

Medienschaffende in Konfliktgebieten gezielt anzugreifen, ist nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen. Neben Mexiko und der Ukraine war die Lage für Journalist:innen auch besonders gefährlich in Haiti und auf den Philippinen.

Das Presse-Institut mit Sitz in Wien kritisiert, dass wenige Tötungen aufgeklärt werden. Das sei “fruchtbarer Boden für Gewalt gegen Pressevertreter”.

Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.


Redaktionsschluss: 14:15
Weekly 52/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

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