Weekly, KW02
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Heute mit Präsidentschaftswahlen in Tschechien, gewaltsame Stürmung des brasilianischen Präsidentenpalastes und im Fokus: Vorsichtige Annäherung an den Frieden in Äthiopien.
Äthiopien auf dem Weg in den Frieden?
In der nordäthiopischen Konfliktregion Tigray hat die sogenannte Volksbefreiungsfront am Mittwoch damit begonnen, schwere Waffen zurückzugeben. Damit kommen sie einer Vereinbarung des Friedensabkommens nach, das Anfang November geschlossen worden war. Wir berichteten im Weekly vom 30.10.2022 darüber..
Hintergrund:
Die bewaffnete Rebellengruppe kämpfte gegen die äthiopische Armee, die von Streitkräften aus dem Nachbarland Eritrea unterstützt wurde. Ein nächster Schritt für dauerhaften Frieden wäre jetzt, dass die eritreischen Soldaten - wie im Abkommen beschlossen - sich aus Tigray zurückziehen.
Am Donnerstag traf die deutsche Aussenministerin, Annalena Baerbock und ihre französische Amtskollegin Catherine Colonna in Addis Abeba ein. In der äthiopischen Hauptstadt sagten beide, dass es ihnen wichtig sei, dass Europa nach dem Waffenstillstand im Krieg um Tigray schnell Gesicht zeige und eine enge Partnerschaft anbiete.
In Äthiopien, dem zweitgrössten Land Afrikas und strategisch bedeutend für die Stabilität am Horn von Afrika, treffen gleich mehrere Krisen aufeinander:
Zum einen der 2020 ausgebrochene Krieg zwischen der Regierung und den Aufständischen aus Tigray und zum anderen eine der stärksten Dürreperioden, die das Land je erlebt hat. Vor allem der Osten des Landes leidet enorm darunter, viele Lebensmittel konnten nicht angebaut werden und fehlen der Bevölkerung. In der Westhälfte des Landes hat es zwar in manchen Regionen genug geregnet, doch der Krieg in Tigray hat die Ernte verhindert. 22 Millionen Menschen sind heute von Nahrungsmittelhilfe abhängig. Die humanitäre Lage in Äthiopien sei noch nie so kritisch gewesen, warnt die Welthungerhilfe. Und das führt zur dritten Krise, die das Land trifft: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Wie viele andere afrikanische Länder importierte Äthiopien viel günstiges Getreide aus der Ukraine.
Die beiden Aussenministerinnen besuchten denn auch eine Lagerhalle in Adama, einer Stadt eineinhalb Autostunden von Addis Abeba entfernt. Hier lagert das Welternährungsprogramm der UNO zehntausende Tonnen Getreide und Lebensmittel. Darunter Weizen, der mit Hilfe der EU exportiert wurde, Frankreich und Deutschland haben den Transport finanziert.
Was jetzt passiert:
Das Land befindet sich nun in einer entscheidenden Phase. Unsicher ist weiterhin, ob die Waffenruhe hält und ob das Nachbarland Eritrea seine Truppen abzieht, die an der Seite der Regierung in Tigray gekämpft haben. Frankreichs Aussenministerin lobte vielversprechende Ansätze: Der humanitäre Zugang in die Konfliktregion habe sich verbessert, der Staat die Versorgung wieder aufgenommen und die regionale Hauptstadt Mekele werde wieder von der staatlichen Fluggesellschaft angeflogen.
Wichtigste Botschaft in allen Gesprächen aber ist, dass es Gerechtigkeit geben muss für die Opfer und eine Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, die allen Konfliktparteien vorgeworfen werden, darunter der Einsatz von sexueller Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe. Die äthiopische Präsidentin Sahle-Work Zewde zeigt sich offen dafür. Sie machte aber klar, dass Äthiopien diesen Prozess selber in der Hand halten wolle. Der Aussenminister versicherte, dass die Regierung entschlossen sei, den Friedensplan umzusetzen und den UNO-Hochkommissar für Menschenrechte gebeten habe, Beobachterinnen zu entsenden. Ohne Gerechtigkeit könne es keinen Frieden geben, mahnte Catherine Colonna. Und Annalena Baerbock schloss sich ohne weitere Ergänzungen dieser Aussage an.
Kein Sieger bei Tschechischer Präsidentschaftswahl.
In Tschechien standen gestern Samstag die Präsidentschaftswahlen auf dem Programm. Da keiner der Kandidaten die Hürde von 50 Prozent erreicht hat, ist eine Stichwahl in zwei Wochen nötig. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 68 Prozent unter den 8.3 Millionen Wahlberechtigten. Bei der Stichwahl treffen der ehemalige Regierungschef Andrej Babiš und der ehemalige Nato-General Petr Pavel aufeinander.
Hintergrund:
Das Amt als Präsident bringt zwar nicht viel Macht, aber Ansehen und Einfluss. Darum kämpfen nun Babiš und Pavel.
Andrej Babiš stand von 2017 bis 2021 an der Spitze der tschechischen Regierung und präsentierte sich als Vertreter derjenigen, die unter der hohen Inflation und den hohen Energiepreisen leiden. Er war erst letzte Woche in einem Prozess um EU-Subventionen freigesprochen worden. Der Milliardär hat sich gegen weitere Ukraine-Hilfen ausgesprochen. Er gilt als Freund des EU-kritischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
Petr Pavel hingegen arbeitete lange für das Militärbündnis Nato und befürwortet militärische Hilfen für die Ukraine sowie die Einführung des Euro. Er wird von der aktuellen Regierung unterstützt.
Sowohl Babiš als auch Pavel gelten als eher prowestlich als der aus dem Amt scheidende Präsident, der sich für engere Beziehungen zu China und vor dem Krieg in der Ukraine auch zu Russland ausgesprochen hatte.
Die Stichwahl in Tschechien findet am 28. Januar statt. Umfragen zufolge hat Petr Pavel in der zweiten Runde einen Vorteil gegenüber Andrej Babiš, da Anhänger der unterlegenen Kandidatinnen eher für ihn stimmen dürften.
Brasilien: Sturm auf Regierungsviertel.
Radikale Anhängerinnen und Anhänger des abgewählten Präsidenten Jair Bolsonaro haben letzten Sonntag in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia das Regierungsviertel gestürmt. Der Mob hat im Kongress-Gebäude, im Obersten Gerichtshof und im Präsidentenpalast Verwüstungen angerichtet. Amtsinhaber Luiz Inácio Lula da Silva befand sich am Sonntag nicht in Brasilia.
Rund 1`200 Unterstützer Bolsonaros wurden vorläufig festgenommen und der Gouverneur des Bezirks rund um die Hauptstadt ist am Montagmorgen vorübergehend seines Amtes enthoben worden. Trotz deutlicher Hinweise auf gewalttätige Aktivitäten habe der Gouverneur nichts unternommen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, argumentierte der Oberste Gerichtshof.
Hintergrund:
Der brasilianische Präsident Lula da Silva gewann Ende Oktober die Stichwahl gegen den damaligen Präsidenten Bolsonaro. Dieser hat bis heute seine Niederlage nicht offiziell anerkannt. Der Amtsübergabe am 1. Januar blieb er fern und verweilt seither in den USA im Bundesstaat Florida.
Bolsonaro hatte bereits vor der Wahl Zweifel am Wahlsystem gesät. Seit Jahren rief er seine Anhängerinnen auf, sich zu bewaffnen. Der harte Kern hat dies tatsächlich auch getan - auch wegen Bolsonaros lockeren Waffengesetzen.
Was jetzt passiert:
Der Oberste Gerichtshof gab am Freitag der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft statt, Jair Bolsonaro auf eine Liste zu setzen, gegen die wegen der Gewalt am 8. Januar ermittelt werden soll. Ihm wird “Anstiftung und geistige Urheberschaft” vorgeworfen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass im Haus des Bolsonaro-Vertrauten und ehemaligen Justizministers ein Dokument gefunden wurde, das Pläne für die “Korrektur” des Wahlergebnisses enthält.
Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.
Redaktionsschluss: 19:30
Weekly 02/2023
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