Weekly, KW 15
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Heute mit der Sondersession zum CS-Debakel, veröffentlichten Geheimdienstdokumente der USA und dem französischen Rentengesetz.
Sondersession zum Fall Credit Suisse.
Bereits kurz nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS äusserte das Parlament Kritik. Schon vor drei Wochen wurde klar: National- und Ständerat wollen eigentlich mitreden, wenn es um Notrecht und so hohe Beträge geht. Am Dienstag bekamen die Parlamentarier:innen in einer Sonderesession in Bundesbern nun die Gelegenheit, Luft abzulassen. Verhindern konnten sie allerdings nicht mehr. Die Verträge mit den Krediten, die der Bund im Notfall der UBS zur Verfügung stellen würde, sind bereits unterschrieben - durchgesetzt per Notrecht und abgesegnet von der Finanzdelegation, bestehend aus je drei Mitgliedern des National- und Ständerats. Die Abstimmung vom Parlament war nur noch reine Formsache.
Hintergrund:
Der Ständerat stimmte den Verpflichtungen von 109 Milliarden Franken am frühen Dienstagabend mit 29 zu 6 Stimmen bei 7 Enthaltungen deutlich zu. Doch in der Debatte war trotzdem Kritik zu hören in der kleinen Kammer: Beat Rieder (Mitte/VS) sagte etwa, das ganze sei ein Debakel. Man müsse den Unmut der Bevölkerung höher gewichten als den Unmut der Märkte. Auch wurde kritisiert, dass die Übernahme durch den Bundesrat per Notrecht beschlossen wurde.
Später am Abend im Nationalrat wurde klar, hier herrscht grösserer Widerstand, vor allem von linker Seite und SVP. Die SVP erklärte in der Debatte, der Vertrauensverlust der Schweiz in der ganzen Welt sei noch schlimmer zu werten als der Zusammenbruch der Traditionsbank CS. Und von Seiten der SP kam die Forderung, dass die neue Monster-Bank UBS nun so in Ketten gelegt werden solle, dass es nie mehr die Demokratie an der Nase herumführen könne. Die Fraktionen in der Mitte zeigten sich weniger bissig, hatten aber auch ihre Forderungen. So sagte etwa Matthias Bregy von der Mitte-Partei, dass man den Krediten nur unter der Bedingung zustimmen werde, dass das Notrecht in Zukunft nicht mehr angewendet wird.
Kurz vor Mitternacht lehnte der Nationalrat die Kredite ab, 102 Stimmen waren dagegen, 71 dafür.
In der Nacht zu Mittwoch arbeitete der Ständerat einen Kompromiss aus, der auch die grosse Kammer überzeugen sollte. So forderte er Anpassungen im Bankengesetz. Auch wollte der Ständerat eine gesetzliche Beschränkung der Boni von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Kontrollorganen von systemrelevanten Banken.
Der Kompromiss wurde vom Ständerat gutgeheissen, der Nationalrat schmetterte ihn jedoch ab.
Nach der Fragerunde des Bundesrats im Parlament änderte die SP ihre Meinung und erklärte, dass man die Vorlage ablehnen werde, weil der Bundesrat keine Regulierungen beschliessen werden, wie es sich die Partei gewünscht hätte. Die SVP kritisierte, dass die Vorlage keine Basis sei, um ein Bankendebakel in Zukunft zu verhindern und den Grünen fehlten Nachhaltigkeits- und Risikoauflagen im Rettungspaket. So lehnte der Nationalrat den Kompromissvorschlag des Ständerats mit 103 zu 71 Stimmen bei 8 Enthaltungen ab.
Was jetzt passiert:
Unmittelbare Folgen hat die Ablehnung der Kredite nicht, weil diese bereits genehmigt sind. Die unterlegenen Parteien Mitte, FDP und GLP befürchten jedoch eine negative Signalwirkung für den Schweizer Finanzplatz.
Die Politik ist sich unterdessen uneinig, ob das Nein des Nationalrats nicht doch Folgen haben sollte. So argumentiert etwa SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, zumindest auf die 9 Milliarden Franken an Verlustgarantien gegenüber der UBS müsse der Entscheid des Parlaments Auswirkungen haben. “[...] diesen Vertrag gibt es noch gar nicht, der muss zuerst noch ausgehandelt werden zwischen der Eidgenossenschaft und der UBS. [...] Auf diesen Vertrag wird das Nein als sicher eine entsprechende Auswirkung haben.”, so Aeschi in der Samstagsrundschau von Radio SRF.
Die grösste Bank der Schweiz übernahm Mitte März ihre Konkurrentin Credit Suisse, da diese unter enormen Vertrauensverlust und Abfluss von Kundengeldern litt. Die UBS zahlte für die zweitgrösste Bank der Schweiz drei Milliarden Franken, abgesichert wird der Kauf von der Nationalbank mit einer Liquiditätshilfe und einer Verlustgarantie von 9 Milliarden Franken durch den Bund. Insgesamt stellen der Bund und die Nationalbank Sicherheitsgarantien von 259 Milliarden Franken zur Verfügung.
Geleakte US-Geheimdienstdokumente.
Schon seit Wochen sind geheime Dokumente von US-Behörden im öffentlichen Teil des Internets einsehbar. Die geheimen Dokumente enthalten laut US-Medienberichten unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine, Angaben zum Munitionsverbrauch, aber auch Analysen und Informationen zu anderen Ländern, wie zum Beispiel China oder Israel sind in den Dokumenten enthalten. Ausserdem wird die Bespitzelung von US-Alliierten wie Südkorea beschrieben. Es lässt sich auch erkennen, mit welchen Methoden die US-Geheimdienste die Informationen gesammelt haben und wer die Quellen sind.
Hintergrund:
Seit Januar sind die Dokumente einem kleinen Zirkel von Usern der Plattform Discord bekannt. Nach Informationen vom Investigativportal “Bellingcat” wanderten sie Anfang März aus dem kleinen Zirkel heraus in einen grösseren Kanal, und von dort gelangten sie Anfang April auf weitere Plattformen wie 4Chan, Twitter und Telegram.
Der US-Sender CNN berichtete, Regierungsmitarbeitende hätten die Echtheit der Unterlagen bestätigt. Es gibt aber auch einige Dokumente, die im Nachhinein klar manipuliert wurden und etwa auf russischen Telegramkanälen geteilt wurden.
Was jetzt passiert:
Am Donnerstag wurde ein 21-jähriger US-Amerikaner festgenommen, der unter Verdacht steht, die Dokumente veröffentlicht zu haben. Der junge Mann sei Angestellter der Massachusetts Air National Guard und soll eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet haben. Er habe die brisanten Unterlagen zunächst als Abschriften mit der Gruppe geteilt und dort später Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochgeladen haben.
Die Dokumente sind zwar schon einige Wochen alt, könnten aber Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine helfen. Auch wenn sie keine konkreten Schlachtpläne enthalten, zeigen sie Art und Menge der westlichen Waffen, die auf den Schlachtfeldern der Ukraine angekommen sind. Die Stimmung unter den Alliierten ist zwar im Moment noch ruhig, doch dürften sich viele Staaten in Zukunft fragen, wie vertrauenswürdig die USA sind. Auch Länder der sogenannten Five-Eyes-Staaten wie Grossbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland, die einen weitreichenden Austausch von geheimen Informationen mit den USA pflegen, werden sich in Zukunft fragen müssen, wie sicher ihre Informationen bei den USA sind, wenn vielleicht tausende Menschen die Sicherheitsfreigabe besitzen und ein 21-jähriger ohne Probleme Dokumente ausdrucken und veröffentlichen kann.
Rentenreform in Frankreich tritt in Kraft.
Das hart umkämpfte Rentengesetz in Frankreich ist in Kraft. Das geht aus dem offiziellen Veröffentlichungsblatt der Regierung in Paris hervor. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das Gesetz am Samstag unterzeichnet, nachdem am Freitag das französische Verfassungsgericht erklärte, die Reform sei trotz juristischer Fehler in einigen Gesetzesartikeln zulässig. Insbesondere dem wichtigsten Vorhaben, der Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre, stimmte der Verfassungsrat zu. Zudem verwarf der Rat eine - von der Opposition angestrebte - Volksabstimmung zum Projekt der Macron-Regierung.
Hintergrund:
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten.
Seit der Ankündigung von Macron Anfang Jahr, dass das Vorhaben der Reform erneut auf den Tisch kommt, streiken und demonstrieren Arbeitnehmende im ganzen Land gegen das Vorhaben. Ministerpräsidentin Elisabeth Borne hatte die Rentenreform mit einem verfassungsrechtlichen Kniff ohne eine Abstimmung im Parlament durchgepeitscht und ein Misstrauensvotum nur knapp überstanden.
Was jetzt passiert:
Emmanuel Macron kündigte an, das Gesetz bis Ende Jahr umzusetzen. Währenddessen sinken seine Zustimmungswerte in den Keller. Laut Meinungsumfragen lehnt eine grosse Mehrheit der französischen Bevölkerung das neue Rentengesetz ab.
Und auch die Streiks und Proteste werden in naher Zukunft weitergehen. Der kommende Donnerstag soll in Frankreich zum “Tag des Zorns” werden. Dazu haben die vier Eisenbahn-Gewerkschaften gemeinsam aufgerufen. Dass die Reform in Kraft ist und vom Verfassungsrat bestätigt wurde, ändere für die Gewerkschaften nichts. Die Regierung scheine den Lärm der Strasse nicht zu hören. Nun solle sie die “ohrenbetäubende Stille” einer stillstehenden Produktion hören.
Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.
Redaktionsschluss: 17:55
Weekly 15/2023
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