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Weekly, KW 16

🕐: ca. 5 Min. | 🎧: bald hier zu hören

Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Heute konzentrieren wir uns auf die aufgeflammten Kämpfe im Sudan und versuchen die Lage zu erklären. Ausserdem werfen wir einen Blick auf die Deutschlandreise von Bundespräsident Alain Berset.


Kämpfe im Sudan.

Bereits seit über einer Woche bekämpfen sich das Militär und paramilitärische Gruppen im Sudan. Im Zentrum stehen die zwei mächtigsten Generäle des Landes und ihre Einheiten. Beide hatten das Land mit rund 46 Millionen Einwohner:innen seit einem gemeinsamen Militärcoup 2021 geführt. Nun kämpft der De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, gegen seinen Stellvertreter, der Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). 

Nach Angaben der UNO verloren seit Beginn der Kämpfe vergangenen Samstag mindestens 413 Menschen ihr Leben, mehr als 3’500 wurden verletzt. Millionen Menschen in der Hauptstadt Khartum und weiteren Städten verschanzen sich in ihren Häusern und Wohnungen.

Hintergrund:
Während drei Jahrzehnten regierte Omar al-Bashir den Sudan autoritär. Durch seine Regierung kam es regelmässig zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte. Im April 2019 wurde al-Bashir nach 30-jähriger Amtszeit nach einem Militärputsch verhaftet und abgesetzt. Militärführung und zivile Opposition einigten sich noch 2019 darauf, eine Übergangsregierung zu bilden und das Land innerhalb von fünf Jahren zu demokratisieren. 

2021 haben Armee und die Rapid Support Forces (RSF) geputscht und die Übergangsregierung abgesetzt. Seitdem wird das Land vom sogenannten Übergangsrat kontrolliert. An dessen Spitze steht der Kommandeur der regulären Streitkräfte, General Abdul Fattah al-Burhan. Sein Stellvertreter - und nun auch sein Widersacher - ist der Oberbefehlshaber der RSF-Paramilitärs, Mohamed Hamdan Daglo. In der vergangenen Woche war eine Frist verstrichen, um einen Plan vorzulegen, wie das Land zur Demokratie zurückkehren könnte. Voraussetzung dafür sollte die Integration der RSF in die Strukturen der nationalen Armee sein. Das war laut Medienberichten bis zuletzt einer der grossen Streitpunkte bei den Gesprächen. Vergangenen Samstag eskalierte die Situation in der Hauptstadt Khartum. Explosionen und Kämpfe wurden auch in anderen Städten gemeldet.

Mehrere andere Staaten verfolgen ihre Interessen im Sudan. So schürft etwa Russland in sudanesischen Minen nach Gold und anderen Bodenschätzen und Saudi-Arabien arbeitet mit sudanesischen Söldnern im Jemen-Krieg zusammen.

Was jetzt passiert:
Eine Beruhigung der Lage ist in nächster Zeit nicht zu erwarten. Bereits mehrere Feuerpausen wurden nicht eingehalten. Da sich die Gefechte auch in und um den internationalen Flughafen von Khartum drehten, waren ausländische Evakuierungsversuche unter der Woche gescheitert. Am Mittwoch musste Deutschland einen ersten Versuch abbrechen, deutsche Staatsangehörige mit Maschinen der Luftwaffe ausser Landes zu bringen.

Gestern Samstag stimmte General al-Burhan der Evakuierung von Diplomatinnen und anderen Bürgern zu. Bis am Sonntagabend evakuierten mehrere Länder, darunter die USA, Grossbritannien und Frankreich ihr Botschaftspersonal und Angehörige aus der Hauptstadt Khartum. Auch Schweizer Staatsangehörige warten darauf. Beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sind derzeit rund 100 Schweizer:innen im Sudan gemeldet. Aus Bundesbern hiess es am Wochenende, dass das EDA laufend entsprechende Szenarien und Massnahmen prüfe. Das italienische Verteidigungsministerium teilte am Sonntagnachmittag mit, dass zwei Flugzeuge unterwegs nach Khartum seien und neben rund 140 italienischen Staatsbürger:innen auch Schweizer evakuiert werden. Die Schweizer Behörden nahmen bis Redaktionsschluss keine Stellung dazu.

Die humanitäre Lage:
Sudan gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben etwa 15 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen nicht genügend zu essen. Das Welternährungsprogramm musste seine Arbeit wegen der Sicherheitslage vorerst stoppen.

Viele befürchten nun eine weitere Eskalation. Je länger die Kämpfe andauern, desto mehr besteht die Gefahr, dass sie sich zu einem Bürgerkrieg ausweiten. Bereits jetzt werde deutlich, dass beide Generäle lokale Unterstützer hätten, sagte der Direktor des Instituts “Sudan Transparency and Policy Tracker” dem britischen Sender BBC.

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Bundesrat Bersets Berlinbesuch.

Am Dienstag besuchte Bundespräsident Alain Berset Berlin. Auf dem Programm stand ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Scholz und Berset würdigten bei der anschliessenden Pressekonferenz die guten und engen Beziehungen der beiden Länder. Und doch schien der sowieso eher reservierte Bundeskanzler Scholz noch ein wenig kühler als sonst. Zu direkter Kritik liess sich Olaf Scholz nicht hinreissen. Die Aussage “Dieser Krieg in Europa fordert uns alle auf, unser Selbstverständnis kritisch zu prüfen und mitunter auch zu unbequemen, aber richtigen Entscheidungen bereit zu sein", dürfte als Aufforderung an die Schweiz zu mehr Bereitschaft bei Munitionslieferungen aufgefasst werden.

Hintergrund: 
Die Schweiz verlangt bei Waffenlieferungen eine Zusicherung, dass das Material nicht an kriegsführende Parteien weitergeleitet wird. Deutschland will aber Schweizer Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard aus ihren Beständen in die Ukraine exportieren. Eine Ausnahmegenehmigung dafür hat der Bundesrat bislang abgelehnt, ebenso ähnliche Anträge aus Dänemark und Spanien.

Bundesrat Berset begründete die Schweizer Haltung mit den Schweizer Neutralitätsgesetze, die definieren, dass die Schweiz keine Seite militärisch unterstützen könne. “Man kann nicht verlangen, dass wir unsere eigenen Gesetze brechen”, so Berset in Berlin. Allerdings “müsse geschaut werden, wie man sich da entwickeln soll, muss oder kann”, sagte Berset vor den Medien. Vorstösse im Parlament die Weitergabe von Munition zu erlauben, sind bislang gescheitert. 

Alain Berset betonte auch, dass die Schweizer Neutralität keineswegs Gleichgültigkeit bedeutet. Die Schweiz habe sich den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen und unterstütze die Ukraine beim Wiederaufbau.

Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.


Redaktionsschluss: 20:20
Weekly 16/2023

Headerbild von Milad Fakurian auf Unsplash

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