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Weekly, KW 24

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Guten Morgen aus der rethink-Redaktion. 

Das ist das Weekly, der Nachrichtenrückblick der vergangenen Woche am 19. Juni und das sind unsere Themen heute:

Feministischer Streiktag.

Vergangenen Mittwoch gingen in mehreren Städten in der Schweiz Tausende Frauen und weiblich gelesene Personen auf die Strasse. Der 14. Juni gilt als Frauenstreiktag und die Streikenden forderten etwa Respekt statt Sexismus am Arbeitsplatz und mehr Zeit und Geld für Betreuungsarbeit. Die Gewerkschaft Unia sprach von rund 50’000 Menschen in 20 Schweizer Städten auf der Strasse, der Schweizerische Gewerkschaftsbund sprach auf dem Instagram-Account @14juni23 gar von 300’000 Menschen, die ihre Stimme für mehr Lohn, Zeit und Respekt erhoben hätten.

Sie hätten genug davon, dass die Gleichstellung in weiter Ferne liege, hiess es im Aufruf der Feministischen Streikkollektive. Feministinnen seien wütend, weil Opfer von sexualisierter Gewalt, egal ob in der Schweiz, in einem Kriegsgebiet oder auf der Flucht Gewalt erfahren hätten, hierzulande unzureichend geschützt würden. Es mangle unter anderem an Plätzen in Frauenhäusern. Seit dem grossen Frauenstreik 2019 habe sich die Situation für weiblich gelesene Personen bezüglich Lohn und Respekt kaum verbessert, hielten die Organisierenden fest.

Verschiedene Komitees, Parteien, Verbände und Gewerkschaften organisierten Aktionen, um gegen die Ungleichbehandlung zu protestieren.

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Bye Bye Boris?

Boris Johnson hat als britischer Premierminister gelogen, das hielt der Ausschuss des britischen Parlaments in einem Bericht fest. Johnson hatte im Parlament mehrfach angegeben, es habe keine illegalen Lockdown-Apéros oder gar Partys während der Pandemie in seinem Regierungssitz gegeben. Als er daran nicht mehr festhalten konnte, stritt er ab, davon Kenntnis gehabt zu haben oder selbst dabei gewesen zu sein. Alles stellte sich später als falsch heraus. “Das Parlament irrezuführen ist nicht eine technische Sache, sondern eine ausserordentliche wichtige Angelegenheit”, hält der Untersuchungsausschuss des Parlaments in der Zusammenfassung seines Berichts fest. Irreführung treffe das Herz der Demokratie. Als Strafe dafür wollte der Ausschuss ihn für 90 Tage aus dem Unterhaus verbannen. Doch Boris Johnson kam der Sanktion zuvor, da er bereits Freitag vor einer Woche seinen Rücktritt angekündigt hatte. Johnson erhielt vorzeitig Einblick in den Bericht, er wusste also, was auf ihn zukommen würde.

Wer mehr als 10 Tage aus dem Parlament verbannt wird, muss sich automatisch in seinem Wahlkreis einer Neuwahl stellen. Dem Urteil der Wählerinnen und Wähler muss sich der Ex-Premier nicht mehr stellen.

Johnson war von 2019 bis 2022 britischer Premierminister. Er stellte sein Amt als Regierungschef und Vorsitzender der konservativen Partei nach anhaltenden Misstrauenbekundungen aus der eigenen Partei zur Verfügung. Nachdem seine Nachfolgerin Liz Truss Ende Oktober bereits wieder ihren Rücktritt ankündigte, versuchte Johnson ein politisches Comeback. Es gelang ihm jedoch nicht, die beiden Gegenkandidaten Rishi Sunak und Penny Mordaunt zu einem Rückzug zu drängen. Seit vergangener Woche ist Johnson nun komplett ohne seine politischen Ämter.

Ruhig um ihn dürfte es allerdings noch nicht werden. Heute Montag sollen die Abgeordneten darüber abstimmen, ob Johnson ein Parlamentsausweis, wie er Ex-Parlamentarier:innen zusteht, verweigert wird. Nach Einschätzung der gut vernetzten Journalistin Katy Balls, die für das konservative Magazin “Spectator” arbeitet, dürfte Johnson dabei verlieren.

Seine Stimme in der britischen Politik wird er aber auch dadurch nicht verlieren. Johnson erhält in der Boulevardzeitung “Daily Mail” eine eigene Kolumne. Dort dürfte er gewohnt scharfzüngig gegen seine politische Rivalen austeilen. Längst gibt es viele, die ein Ende des ständigen Kreisens um die neuesten Kapriolen des Ex-Premiers fordern. Doch ob die “Boris-Show”, wie es manche nennen, mit Johnsons Ausscheiden aus dem Parlament endet, bleibt fraglich.

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

Nun kam der Rutsch in Brienz:
In der Nacht auf Freitag ist ein grosser Schuttstrom aus dem sogenannten “Insel-Bereich” oberhalb des Bergdorfes Brienz abgegangen. Die Felsmassen haben dabei das seit mehreren Wochen evakuierte Dorf nur knapp verfehlt. Expert:innen hatten vorgängig nicht damit gerechnet, dass die erwarteten Felsmassen vor dem Dorf zum Stehen kommen würden. Doch das taten sie und verschonten Brienz komplett.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde die Phase Blau ausgerufen, was auch zur Folge hatte, dass die Kantonsstrasse wie auch die Bahnlinie der Rhätischen Bahn gesperrt wurden.

Zurzeit sei die Sicherheit im Dorf nicht gewährleistet, sagte der Kantonsgeologe Andreas Huwiler. Es sei nicht auszuschliessen, dass aus dem Schutt bei Niederschlägen Murgänge entstehen könnten. Doch machte er der Bevölkerung von Brienz auch Hoffnung: “Die Wahrscheinlichkeit ist sehr, sehr gross, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner zurückkehren können und Brienz längerfristig bewohnbar bleibt.”

Die Gefahr für das Dorf ist allerdings noch nicht ganz gebannt. Nicht nur der Hang über den Häusern ist in Bewegung, sondern das ganze Gelände, auf dem auch Brienz steht, rutscht weiter hinab. Der Kanton Graubünden will aber das Bergdorf retten und plant einen Entwässerungsstollen für rund 40 Millionen Franken, der das Rutschen einschränken soll.

Die Schweiz unter DDoS-Attacken:
Vergangene Wochen waren mehrere Schweizer Unternehmen und Organisationen Opfer von sogenannten DDoS- Attacken. Darunter etwa auch die Parlamentsdienste, mehrere Kantone und der Bund. Bei einem DDoS-Angriff (Distributed Denial of Service) ist das Ziel, die Webseiten der betroffenen Dienste lahmzulegen. Das wird meist damit erreicht, dass millionenfach Anfragen an die Server gestellt werden, bis diese ihre Kapazitätsbeschränkung erreichen und so die Verfügbarkeit der Website nicht mehr gewährleistet ist. Im Gegensatz zu einem Hackerangriff, der das Ziel hat, in ein System einzudringen und Daten zu stehlen, wird bei einer DDoS-Attacke ein Datenabfluss ausgeschlossen. Er soll nur für alle Menschen sichtbar die Verwundbarkeit einer Webseite oder Online-Shop demonstrieren. Betroffen waren vergangene Woche etwa Seiten des Bundes und bundesnahen Betrieben wie der SBB. Auch die Internetauftritte der Kantone Basel-Stadt, Zürich und Nidwalden, der Stadt St. Gallen, der Schweizerischen Bankiervereinigung und Privatbank Julius Bär waren zeitweise nicht erreichbar.

Zu den DDoS-Attacken bekannte sich eine prorussische Gruppierung, die sich “NoName” nennt und über Telegram-Gruppen agiert. Die Angriffe sollen in Zusammenhang mit der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski stehen, der am Donnerstag per Video-Schaltung zu National- und Ständerat sprach.

Das wurde am Abstimmungssonntag entschieden:
Gestern entschied das Schweizer Stimmvolk über drei nationale Vorlagen. Alle drei wurden angenommen.

Das Klimaschutzgesetz, das die Abhängigkeit von importiertem Öl und Gas vermindern will, aber weder Verbote noch Abgaben bringt, wurde mit 59.1 Prozent der Stimmen angenommen. Das Gesetz entstand als Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, die aber ab 2050 einen kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Öl und Erdgas forderte. Das Parlament erarbeitete danach das Klimaschutzgesetz, gegen welches die SVP das Referendum ergriff. Dadurch erhielt die Stimmbevölkerung die Chance, darüber abzustimmen.

Die Vorlage zur OECD-Mindeststeuer wurde an der Urne mit 78.5 Prozent deutlich angenommen. Somit müssen grosse internationale Konzerne ab Anfang 2024 eine Mindeststeuer von 15 Prozent entrichten. Damit schliesst sich die Schweiz der weltweiten Steuerreform der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) an. Rund 140 andere Staaten haben sich ebenfalls dazu bekannt, eine Mindeststeuer für Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro im Jahr einzuführen.

Von den grossen Parteien war einzig die SP gegen die Vorlage. Sie störte sich allerdings nicht an der Einführung der Mindeststeuer, sondern am Verteilerschlüssel der erwarteten Einnahmen. Davon gehen 75 Prozent an die Kantone und 25 Prozent an den Bund, Die SP hat sich für einen grösseren Anteil an den Bund eingesetzt, damit Projekte unterstützt werden, die allen dienen und nicht nur den Standortkantonen der Unternehmen.

Die Steuer soll gemäss Bundesrat ab nächstem Jahr eingeführt werden. Bis in den nächsten sechs Jahren muss vom Parlament aber ein ordentliches Bundesgesetz über die Mindeststeuer erarbeitet werden.

Und auch die dritte Vorlage wurde gestern deutlich angenommen. Das Schweizer Stimmvolk hat zum dritten Mal mit 61.9 Prozent für das Covid-19-Gesetz gestimmt. Das befristet gültige Covid-19-Gesetz gibt es seit September 202 und wurde mehrmals angepasst. In der Ende Dezember beschlossenen Version gilt es bis Ende Juni 2024. Damit soll der Bund auch im nächsten Winter die Möglichkeit haben, rasch und mit gesetzlich abgesicherten Mittel auf ein möglicherweise erstarktes Sars-Cov-2-Virus erneut zu reagieren. Gegen die Verlängerung des Gesetzes erhoben Mitglieder von “Mass-Voll” und “Freunde der Verfassung” zum dritten Mal das Referendum. Von den Parteien im Bundeshaus unterstützte einzig die SVP ein Nein. Somit hat sich gestern die Stimmbevölkerung erneut klar (alle drei Vorlagen wurden mit rund 60 Prozent der Stimmen angenommen) für das Covid-19-Gesetz und somit auch indirekt für die Bewältigung der Pandemie durch den Bund ausgesprochen.


Redaktionsschluss: Montag um 11:00
Weekly 24/2023

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