Weekly, KW 05
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Bei uns im Weekly: Fehlende Gelder beim Militär, fehlendes Interesse bei der Migros und fehlende Glaubwürdigkeit in Pakistans Politik.
Wahlen unter Aufsicht des Militärs.
Diese Woche wurde der ehemalige Premierminister von Pakistan, Imran Khan, gleich zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Ein Spezialgericht in Pakistans Hauptstadt Islamabad verurteilte Khan am Dienstag zu zehn Jahren Haft, wegen Weitergabe vertraulicher diplomatischer Informationen. Am Mittwoch wurden der Ex-Premier und seine Frau zu jeweils 14 Jahren Haft verurteilt, da sie während der Amtszeit teure Staatsgeschenke verkauft und die Erlöse selbst eingestrichen haben sollen. Und am Samstag folgte das dritte Urteil in Islamabad: Imran Khan und seine Ehefrau Bushra Bibi sind wegen Verstosses gegen die muslimischen Ehegesetze zu jeweils sieben Jahren Haft verurteilt worden. Als Folge der Urteile darf Imran Khan, der immer noch beliebteste Politiker Pakistans, fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten, also auch nicht bei der anstehenden Regierungswahl kommenden Donnerstag.
Imran Khan war von 2018 bis 2022 Regierungspräsident des südasiatischen Landes, wurde im April 2022 per Misstrauensvotum aus dem Amt befördert. Seitdem sind mehr als 100 Klagen gegen ihn hängig, bereits im August wurde er wegen Korruption verurteilt. Politanalysten bezweifeln die Unabhängigkeit der Richter. Sie vermuten hinter den Urteilen einen weiteren Versuch, die Wahl im Sinne der Gegner Khans zu beeinflussen und Khans zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger endgültig zu desillusionieren. Die Urteile wurden hinter verschlossenen Türen verkündet. Nach Angaben von Khanâs Partei konnten sich weder die Angeklagten noch deren Anwaltteams vor dem Gericht verteidigen.
Hintergrund:
Nächsten Donnerstag stimmen die Pakistaner:innen über eine neue Regierung ab. Doch viele haben das Gefühl, keine echte Wahl zu haben. Der beliebte Ex-Premier Khan ist in Haft, seine Partei PTI darf bei den Wahlen nicht direkt antreten und letztlich sind es in der muslimischen Nation ohnehin nicht die Politiker, sondern die Generäle, die sagen, wohin es geht.
Wie eigentlich immer in der bald 77-jährigen Geschichte Pakistans ist auch diese Abstimmung kein Schaulaufen von Politiker:innen, die im Ringen um das bessere Konzept die Wählenden überzeugen wollen. Es ist einmal mehr die Bestätigung, dass die eigentliche Macht im Atomstaat Pakistan auf die Armee konzentriert ist. Entweder haben Generäle das Land offen regiert, oder sie ziehen aus dem Hintergrund die Fäden.
Ein Grossteil der Ressourcen in Pakistan geht an die Armee: Sie verfügt über 700â000 Soldat:innen, ist nicht nur in ihrem Kerngeschäft ein potenter Arbeitgeber, sondern betreibt auch Bauprojekte, Fabriken und diverse andere Geschäftszweige.
Mit ihrer Stellung im Land nährt sie den Mythos, die einzige ehrliche Hüterin der Nation zu sein, seit sich Pakistan 1947 von Indien abgespalten hat. Aber während Indien Schritt für Schritt wächst, ist Pakistan nach wie vor ein Feudalstaat, in dem eine Mehrheit der mehr als 240 Millionen Menschen jeden Tag aufs Neue darum kämpfen muss, die nächste Mahlzeit auf den Tisch zu bekommen.
Das könnte bei der Wahl passieren:
Khans Gegner, die vom Militär unterstützt werden, haben nichts unversucht gelassen, um ihn politisch mundtot zu machen. Trotzdem könnte es sein, dass der Plan der Militärs nicht aufgeht. Alle Bemühungen, Khan zu stoppen, haben seiner Popularität bisher nichts anhaben können - im Gegenteil: Umfragen zufolge liegt Khan immer noch deutlich vor seinem Hauptkonkurrenten Nawaz Sharif von der Muslim-Liga. Auch der frühere dreifache Ministerpräsident Sharif sass wegen Korruption bereits im Gefängnis. Er verkörpert besonders die alte politische Elite, von der viele die Nase voll haben.
Dass Imran Khan eine Woche vor den Wahlen nun endgültig eine Teilnahme verwehrt wird, könnte viele Wählende in Pakistan erst recht davon abhalten, an die Urne zu gehen - und damit die Glaubwürdigkeit der Wahl und der nächsten Regierung infrage stellen. Und das ist das Letzte, was die zukünftige Regierung gebrauchen könnte. Von ihr wird erwartet, dass sie das hochverschuldete Pakistan aus der tiefen Wirtschaftskrise führt.
Wie die Wahl am Donnerstag ausgehen wird, kann niemand mit letzter Gewissheit prognostizieren. Sicher ist zumindest, dass bei den Wählerinnen und Wählern angesichts der Ausgangslage wenig Euphorie aufkommt. Wenn die Parteien sich an ihre grossen Versprechen halten würden, könnte sich die Situation verbessern, sagte Abid Ali, ein Dorfbewohner aus der Sindh-Provinz gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Aber Hoffnung, dass es so kommt, hat Ali wie viele Menschen in Pakistan nicht. Besonders nicht, solange das mächtige Militär bei jeder politischen Entscheidung die Finger im Spiel hat.
Die Schweizer Armee in Geldnot?
Der Schweizer Armee fehlen in den nächsten drei Jahren zusammengezählt 1.4 Milliarden Franken, um bereits gekaufte Rüstungsgüter rechtzeitig abzuzahlen. Das hat Radio SRF diese Woche aufgedeckt. Letzte Woche sagte das Militär unerwartet mehrere Grossanlässe ab, darunter etwa die Flugshow âAirSpirit 24â, die Ende August in Emmen hätte stattfinden sollen.
Die Armee betont, dass es sich um "Liquiditätsengpässe" handle und nirgends Geld fehle.
Am Donnerstag mussten Armeechef Thomas Süssli und sein Finanzchef vor den Medien erklären, wie es zu diesen Engpässen von über einer Milliarde Franken kommen konnte. Mehrfach erwähnte Süssli, auch âpolitische Entscheideâ hätten zu dieser misslichen Lage beigetragen.
Hintergrund:
Bundesrat und Parlament genehmigen Jahr für Jahr neue Rüstungsprogramme. Geliefert und bezahlt werden diese Güter aber erst Jahre später. Dies hat zur Folge, dass in einem Jahr Zahlungen für mehrere Rüstungsprogramme fällig werden können. Aus den Unterlagen, die Radio SRF vorliegen, ist ersichtlich, dass ab 2024 bis 2027 hohe Zahlungen ausstehend sind. Vor allem wegen der Beschaffungen der neuen F-35 Kampfjets. Dies hat zur Folge, dass die Armee keine flüssigen Mittel mehr hat, weil sie über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus Rüstungsgüter bestellt hat.
Konkret hat sich die Armee ab 2018 eine Masterplanung für die Folgejahre zurechtgelegt, mit dem Wissen, dass ab 2022 für neue Kampfjets und die Luftverteidigung ein sehr grosses Rüstungsprogramm von über acht Milliarden Franken ansteht. Zur Finanzierung hatte die Armeeführung drei bis vier Jahre kein Rüstungsprogramm eingeplant und ein nur sehr kleines im Jahr 2021. Effektiv hat das Verteidigungsdepartement aber 2020 und 2021 deutlich teurere Programme beantragt als in der Planung vorgesehen und diese auch erhalten.
Armeechef Thomas Süssli begründete diese Mehrausgaben mit dem Volksentscheid über die neuen Kampfjets. Im Gespräch mit Dominik Meier in der Sendung âSamstagsrundschauâ auf Radio SRF sagte er gestern: âTatsächlich ist es uns passiert beim Gripen, als dieser abgelehnt worden ist bei der Abstimmung, dass wir keine Ersatzprojekte hatten, aber Geld gesprochen wurde. Daraus hat man gelernt und eben den Betrag, der höher als sonst ist, bereits begonnen aufzubauenâ.
Die Armee verplante also teilweise das Budget, das für die neuen Flugzeuge reserviert war, für andere Rüstungsgüter, damit trotz einem möglichen Volks-Nein zu den F-35 Flieger das Budget genutzt werden kann. Dies hat nun zur Folge, dass kurzfristig Gelder fehlen.
Ein zweites Problem: Das Parlament nahm infolge der russischen Invasion in die Ukraine im Jahr 2022 einen Vorstoss an, der massiv mehr finanzielle Mittel für die Armee bis 2030 forderte. Vor einem Jahr beschloss aber der Bundesrat, das verlangte Wachstum der Armeeausgaben um fünf Jahre zu erstrecken. Spätestens dann musste die Armeeführung also damit rechnen, die geplanten Investitionen nicht so rasch realisieren zu können. Trotzdem hat sie 2023 ein Rüstungsprogramm von 725 Millionen Franken vorgelegt, statt, wie geplant, darauf zu verzichten. Und die Armee hat das Programm von Bundesrat und Parlament erhalten.
Zusätzlich kämpft die Armee mit steigenden Betriebskosten im laufenden Betrieb
Was jetzt passiert:
Das Verteidigungsdepartement VBS teilte Ende Woche mit, dass für das laufende Jahr die Lücke mittlerweile gestopft ist. Vor allem, weil fällige Zahlungen für Rüstungskäufe nach Verhandlungen mit Lieferanten auf später verschoben werden können. 800 Millionen Franken an Rechnungen, die im Jahr 2024 hätten bezahlt werden sollen, konnten ins nächste Jahr verschoben werden.
Die Armeeführung rechnet damit, dass ab nächstem Jahr dann der Betrag abgebaut werden kann. Armeechef Süssli: âNächstes Jahr wird das Armeebudget ansteigen, auch auf Grund des Entschlusses des Parlaments. Das heisst, dass der Berg, den wir bildlich vor uns herschieben, kleiner wird. Er wird von 800 auf 400 Millionen reduziert. Übernächstes Jahr 200 Millionen und spätestens 2028 ist der Berg abgebaut und abbezahlt.â
Auf die Frage, wer denn nun verantwortlich sei, dass die Finanzplanung der Armee hinten und vorne nicht aufgeht, ging Thomas Süssli nicht ein. Gut möglich, dass er mit den âpolitischen Entscheidenâ nicht nur das Parlament, sondern auch seine Chefin, Verteidigungsministerin Viola Amherd, meinte. Mehrere Quellen bestätigten, dass die VBS-Chefin im Frühjahr 2023 nämlich darauf bestanden habe, ein Rüstungsprogramm beim Parlament zu beantragen, das in der Summe deutlich höher lag als in der ursprünglichen Finanzplanung der Armee vorgesehen.
Zu klären gilt es auch, wie weit den Sicherheitspolitischen Kommissionen im Parlament die finanzielle Lage der Armee bekannt war. Möglicherweise war ihnen im März 2023 beim Entwurf des Rüstungsprogrammes die ganze Tragweite noch nicht bewusst. Im letzten Oktober aber seien die Kommissionen über die Liquiditätsprobleme informiert worden, sagt zumindest Armeechef Thomas Süssli.
Klar ist im Moment: Die Finanzen der Armee werden die Politik in Bundesbern noch eine Weile beschäftigen. Und klar ist auch schon: Zumindest die Absage der âAirSpirit 24â wird der Armee unter dem Strich wahrscheinlich keine Kosten sparen. Denn sie ist bereits viele Verpflichtungen eingegangen, die sie nun sieben Monate vor der geplanten Durchführung trotzdem bezahlen muss.
Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.
Migros baut ab:
Wie der Detailhandels-Riese Migros am Freitag bekannt gab, sollen mehrere Tochterfirmen verkauft und rund 1â500 Stellen abgebaut werden. Konkret sucht die Migros Käufer für die Reisetochter Hotelplan, die Kosmetik- und Hygienetochter Mibelle sowie die Fachmärkte Melectronics und SportX.
Hotelplan und Mibelle passen laut dem Konzern nicht mehr zur Gruppenstrategie, die eine Fokussierung auf den Detailhandel, Finanzdienstleistungen und das Thema Gesundheit vorsehe. Bei Melectronics und SportX hat der Verkauf wirtschaftliche Gründe: Die Fachmärkte seien wegen des wachsenden Onlinehandels zunehmend unter Druck geraten.
Kündigungen sollen möglichst vermieden werden. Allein in der Migros-Gruppe gebe es aktuell rund 1â400 offene Stellen, wurde betont. Welche Jobs gestrichen werden, âkann ich heute noch nicht qualifizierenâ, sagte Migros-Chef Mario Irminger an der Medienkonferenz am Freitag. Dies sei vor allem davon abhängig, wer die künftigen Käufer sein werden. Die Migros rechnet insbesondere bei Hotelplan und Mibelle nicht damit, dass rasch eine Käuferin gefunden wird. Es sei das Ziel, die Verkaufsprozesse umsichtig und sorgfältig durchzuführen.
Nordirland hat nach 2 Jahren eine neue Regierung:
Nach zweijähriger Pause hat das zu Grossbritannien gehörende Nordirland wieder eine Regierung. Das Regionalparlament wählte am Samstag die Michelle O'Neill von der katholischen Partei Sinn Fein zur Regierungschefin - in Nordirland âFirst Ministerâ genannt. Sie ist die erste Katholikin in dem Amt in der 103-jährigen Geschichte des britischen Landesteils. Der irische Fernsehsender RTÉ kommentierte, es handele sich um ein politisches Erdbeben.
Stellvertretende Regierungschefin wird Emma Little-Pengelly von der protestantischen DUP. Die Partei, die für die politische Union mit Grossbritannien eintritt, hatte die Regierung vor zwei Jahren aus Protest gegen Brexit-Sonderregelungen verlassen und blockierte seither eine neue Regierung. Das Karfreitagsabkommen, das 1998 den Bürgerkrieg beendete, sieht vor, dass Nordirland von beiden konfessionellen Lagern regiert wird.
Da sich die DUP nun mit der Zentralregierung in London verständigt hatte, gab sie ihren Widerstand auf und ermöglichte wieder eine Regierungsbildung.
Redaktionsschluss: 13:40
Weekly 05/2024
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