Städte im Wandel des Klimas
Die menschengemachte Klimakrise bringt langfristig nicht nur unser Leben in Gefahr, sondern setzt schon kurz- und mittelfristig unseren Lebensraum unter Druck. Gerade Städte müssen jetzt umplanen — auch in der Schweiz.
Die Temperatur in Städten ist höher als im ländlichen Umland. Dies liegt an der Dichte an Häuser, fehlende Durchlüftung oder aber schlicht an uns Menschen, die in den Städten leben. Verkehr, Klimaanlagen, Heizungen und so weiter haben Einfluss auf das städtische Klima und damit auch auf unseren Lebensraum. Ein Fachbericht von MeteoSchweiz aus dem Jahr 2018 verglich die Temperaturen in fünf Städten mit deren Umland. Dabei zeigte sich: Gerade in Sommernächten fehlt es in urbanem Gebiet an Abkühlungsmöglichkeiten, was zu rund 6-7 ° Celsius höheren Nachttemperaturen führen kann. Denn Asphalt und Betongebäude heizen sich den ganzen Tag auf, während sie die Nacht hindurch die Wärme wieder abgeben.
Die Schweiz am Mittelmeer?
Die Temperatur in der Schweiz ist seit 1864 bereits um 2 Grad gestiegen und wird auch weiterhin ansteigen, wie MeteoSchweiz schreibt. Realistische Prognosen — das heisst, sie gehen davon aus, dass es so weiter geht wie bisher und wir nicht genügend Massnahmen haben, um die Klimakrise einzudämmen — rechnen im Jahr 2060 in der Schweiz mit klimatischen Bedingungen wie zurzeit in Zagreb. Das hört sich zwar für viele noch gut an, quasi Ferienfeeling vor der Haustüre, hat jedoch auf unseren Alltag, unsere Mitmenschen, unsere Natur und auch auf unsere Städte einen immensen Einfluss.
Schweizer Städte müssen sich schon seit einiger Zeit mit veränderten klimatischen Bedingungen auseinandersetzen. Dies zeigte auch die zweite grosse Hitzewelle vergangene Woche im Land. Ein wichtiger Teil um dem Thema “städtische Wärmeinsel” Herr zu werden, spielt dabei die Raumplanung.
Die Stadt Basel zum Beispiel, machte schon Ende der 1990er-Jahren zusammen mit der Universität Basel eine Klima-Analyse. Die Resultate daraus flossen unter anderem in das Neubaugebiet Erlenmatt am nördlichen Ende der Stadt. Bereits eine Grundvoraussetzung für die Bebauung des ehemaligen Rangierbahnhofes der Deutschen Bahn war, dass die Fläche zwischen Grün- und Wohnfläche gleichmässig aufgeteilt wird. Das führte zum Ergebnis, dass grosse Parkflächen mit Bäumen und Blumenwiesen das neue Quartier schmücken. Ausserdem wurde speziell auf eine gute Durchlüftung geachtet. Die Gebäudekörper wurden also an kühle Luftströme, die aus dem nahen Waldgebiet in die Stadt fliessen, angepasst und darauf geachtet, dass keine ganzen Häsuerreihen im Weg stehen.
Farbenprächtige Infrastruktur
Neben dem Wind spielen aber auch die sogenannte grüne und blaue Infrastruktur eine wichtige Rolle im Kampf gegen überhitzte Ballungsräume. Was “blau” und “grün” umfasst, ist relativ einfach: Wasser und Pflanzen.
Gewisse Städte in der Schweiz haben aufrund ihrer Geografie bereits Glück mit ihrer blauen Infrastruktur. In Bern schlängelt sich die Aare gemütlich rund um die Altstadt und zieht dabei auch immer ein konstantes Lüftchen mit sich. Aber auch in der Innenstadt wird Wasser immer wichtiger: Gerade mit dunklem Stein oder Beton versiegelte Plätze wirken wie riesige Heizflächen. Eine dieser Fläche ist der Bundesplatz. Dank glatten Steinplatten, fehlenden Bäumen, keinen Luftlöchern und eingekesselt zwischen dem Bundeshaus und der Nationalbank sind alle Bedingungen für eine Hitzeinsel gegeben. Abhilfe schafft da das Wasserspiel auf dem Platz. Was bei Kindern als willkommene Abkühlung und Spielmöglichkeit gilt, hilft auch dem Platz selbst, den Boden zu kühlen und nicht die ganze Nacht hindurch Wärme abzustrahlen.
Mit Asphalt verschlossene Flächen bergen aber eine weitere Gefahr. Zunehmend werden in Zukunft schnell grosse Mengen an Niederschlägen den Boden erreichen. Auf Strassen und Plätzen kann das Wasser nicht in den Boden versickern und überlastet dadurch das Abwassersystem, was zu häufigeren Überschwemmungen führt. Es braucht deshalb auch immer Flächen, die aus Kies oder Erde bestehen, in denen das Wasser in die Natur zurückfliessen kann. Das Raumplanungsgesetz im Kanton Bern schreibt bei Neubauten bereits heute mindestens 15 Prozent an versickerungsfähigen Flächen vor.
Und bleiben wir gleich beim Wasser in Städten: Monsunartige Regenfälle werden in Zukunft zunehmen, lange Dürreperioden jedoch auch. Einen Vorgeschmack erleben wir bereits seit letztem Sommer. Bereits 2018 wurde in vielen Ländern Europas ein Dürrenotstand ausgerufen. In Deutschland mussten Kühe notgeschlachtet werden, weil wegen fehlendem Wasser die Nahrungsversorgung nicht sichergestellt war. Nach dem Sommer kamen der Herbst, Winter und Frühling, das Wasser blieb jedoch aus. Die Süddeutsche Zeitung visualisierte in ihrem Multimediaprojekt, wie seit längerer Zeit die Wasservorräte in Deutschland am Limit sind.
Auch die Schweiz kämpft mit Wasserknappheit. Während den Hitzewellen dieses Jahr wurden für Landwirte Auflagen gelockert, damit sie ihre Tiere mit Wasser versorgen können, oder ihre Wintervorräte nicht anbrechen müssen, da die Weiden wegen fehlendem Niederschlag zu wenig Nahrung bieten.
Die Klimaexpertinnen des Nationalen Zentrums für Klimadienste (National Center for Climate Services – NCCS) in Zürich veröffentlichten im Bericht CH2018 verschiedene Klimaszenarien, die auf unser Land zukommen werden. Das NCCS rechnet dabei im Sommer mit weniger Niederschlag, dafür mit einem Anstieg im Winter. Da die Winter immer wärmer werden, äussert sich dieser Niederschlag häufiger als Regen. Im Jahresdurchschnitt wird in der Schweiz weniger Niederschlag den Boden erreichen.
In der nahen Zukunft ist der mögliche Einfluss des Klimaschutzes noch nicht sehr gross – er nimmt aber gegen Ende des Jahrhunderts immer mehr zu. Bei ungebremst steigenden Treibhausgasemissionen (RCP8.5) könnte der zukünftige Sommerniederschlag Ende des Jahrhunderts bis zu 39 % tiefer liegen als heute. Eine rasche und weltweite Senkung des Treibhausgasausstosses (RCP2.6) könnte diesen Rückgang stark eingrenzen (–16 % bis +9 %).
Mit Bäumen gegen die Hitze
In engen Städten werden Grünpflanzen immer wichtiger. Bäume spenden bei Sonnenschein Schatten, speichern nach einem Regenschauer Wasser und reinigen dabei noch konstant die Luft, die wir mit aller Sorgfalt tagtäglich verpesten. Ein Baum hat übrigens ungefähr den gleichen Kühleffekt wie fünf Klimaanlagen zusammen.
Viele Schweizer Städte setzen bereits auf eine flächendeckende Bepflanzung. Spitzenreiterin ist dabei die Stadt Genf. 40'000 Bäume von 500 verschiedenen Arten stehen auf einem Fünftel der Stadtfläche. Und es werden noch mehr dazu kommen. Durch die Veränderungen am Lac Léman werden es auch immer exotische Pflanzen, die mit den Temperaturen und der Wasserknappheit besser klarkommen. Allgemein müssen die Stadtgärtnerinnen umplanen: Ein Baum ist für die Stadt vor allem eine Investition, die 40 bis 60 Jahre bestehen bleiben soll. Die Bäume, die in den letzten Jahrzehnten gepflanzt wurden, hapern mit dem aktuellen Klima. Inspiration für neue Baumarten finden viele Städte nun auch im Süden von Europa. Hier müssen die Bäume bereits mit längeren Trockenphasen im Sommer auskommen.
Gründe Dächer, kleine Bächlein
Wenn der Platz am Boden für ausgedehnte Parkanlagen fehlt, ist Innovation gefragt. Basel geht nach oben: Jedes Dritte Flachdach in der Stadt ist begrünt, damit ist Basel Vorreiterin in der Schweiz. Ungenutzte Dachflächen müssen am Rheinknie bepflanzt werden. Eine andere Möglichkeit sind vertikale Gärten. Am Bahnhof Bern und in Zürich Altstetten finden sich bereits solche Wände, die mit Pflanzen ausgestattet sind. So können sonst graue Betonflächen ansehnlich gestaltet und gleich noch etwas gegen die Klimakrise gemacht werden.
Einen anderen Weg geht die Walliser Kantonshauptstadt Sitten. Eingekesselt im Rôhnetal werden hier bereits Sommer für Sommer die höchsten Temperaturen gemessen. Der Platz für Parkflächen fehlt auch hier. Die Stadtverwaltung setzt deshalb auf möglichst viele kleine Massnahmen. Hier eine Fassade begrünen, da ein Bächlein durchfliessen lassen, vor diesem Haus einen Baum pflanzen oder da ein Betonplätzchen aufreissen und mit Erde oder Kies füllen. Der Slogan von Sitten lautet auch gleich: «Mehr Grün und Blau als Grau.»
Die Hitze als Lebensgefahr
Wasser, Parkflächen und Pflanzen sind ja großartig, aber aus Spass macht das niemand. Die Hitze bringt jährlich viele Menschen in Lebensgefahr. Im Hitzesommer 2003 starben gemäss Rechnungen eines Forscherinnenteams 70'000 Personen an der Hitze. Damit ist dieser Sommer eine der opferreichsten Naturkatastrophen der vergangenen 40 Jahren. Weltweit.
In Frankreich waren es 15'000 Tote. In den Strassen von Paris brachen an einem Tag 40 Menschen leblos zusammen. Es ging so schnell, dass Leichen im Kühlhaus eines Grossmarktes gelagert werden mussten.
Vor allem ältere Menschen leiden unter den hohen Temperaturen. Sie haben häufig nicht mehr ein so ausgeprägtes Durstempfinden und vergessen deshalb viel zu trinken, um den Kreislauf am Leben zu erhalten. Aber auch Kinder, Schwangere Frauen, Kranke und Menschen, die an der Sonne arbeiten, sind gefährdet. Um älteren alleinstehenden Menschen zu helfen entwickelte Frankreich vor einiger Zeit ein Register namens Chalex. Dort können sich betagte Menschen einschreiben und werden täglich angerufen, besucht und mit Wasser versorgt. Auch nach Menschen ohne Dach über dem Kopf wird geschaut und Wasser verteilt.
Frankreich hat also aus den Hitzetoten vor 16 Jahren gelernt. In der Schweiz existiert erst in Teilen der Romandie und Tessin ein ähnliches System, das ältere Menschen nicht vergessen gehen lässt. In der Deutschschweiz sind wir noch weit davon entfernt. Einen Weg ohne solche Sicherheitssysteme wird es aber mit Ausblick auf die klimatischen Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten, nicht geben.
Vielleicht hast du es schon bemerkt: In diesem Text haben wir das erste Mal eine neue Leitlinie für das Thema Klimawandel angewandt. Denn unsere Artikel sollen Wörter beinhalten, die auch wirklich die Lage beschreiben. rethink benutzt im Bezug auf die Umweltveränderungen nun Begriffe wie Klimakrise, Klimanotfall und Globale Überhitzung statt zum Beispiel Globale Erderwärmung. Gründe für eine Anpassung unseres Sprachgebrauches gibt es genügend. UNO-Generalsekretär António Guterres sprach letzten September bereits von einer Kimakrise, statt einem Wandel. Der Leiter des Britischen Wetterdienstes "Met Office", sagte vergangenen Dezember ebenfalls öffentlich, dass der Term Weltweite Überhitzung der Lage gerechter werde als von Erwärmung zu sprechen. Im Mai diesen Jahres passte die renommierte britische Tageszeitung "The Guardian" ihr Wording an und verwendet unter anderem die oben genannten Wörter in ihrer Berichterstattung. Deren neue Guideline umfasst auch Begriffe wie Tierwelt statt Biodiversität oder Klimaleugner statt Klimaskeptiker. Diese sollen unter anderem konkreter sein und die Leserinnen besser informieren.
Mit Informationen von:
SRF Input “Wie sich Städte für den Klimawandel wappnen”
SRF “Frankreich hat aus den Hitzetoten von 2003 gelernt”
SRF Kontext “Wie Schweizer Städte das Hitzeproblem lösen”
MeteoSchweiz Fachbericht Nr. 273
Süddeutsche Zeitung “Dürre in Deutschland”
NCCS Schweizer Klimaszenarien CH2018
TagesAnzeiger “In Genf haben es die Bäume am schönsten”
T-online “Verdammt, die Welt geht wirklich unter”
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