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Weekly, KW 36

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Weekly am 10.09.2023 rethink

Guten Abend aus der rethink-Redaktion. 

Der Bund hat neue Ziele für die Landwirtschaft der Zukunft. Wir schauen uns an, wie diese aussehen. Ausserdem treffen sich aktuell die wichtigsten Industrienationen in Indien. Oder doch in Bharat? Eine offizielle Einladung sorgte im Vorfeld für Verwirrung.

Herzlich willkommen zum Weekly, schön bist du heute mit dabei.

Neue Klimastrategie bei Landwirtschaft und Ernährungssicherheit.

Durch die vielen Trockenperioden und gleichzeitig häufigere Starkniederschläge leidet die Landwirtschaft an den Folgen der Klimakrise. Gleichzeitig sind die Ernährung und die Produktion von Lebensmitteln für einen grossen Teil der Treibhausgasemissionen mitverantwortlich. Mit der am Dienstag vorgestellten Klimastrategie will der Bund dazu beitragen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft sich den Herausforderungen des Klimawandels anpassen kann und ihre Emissionen reduziert. Die neue Klimastrategie löst die bisherige aus dem Jahr 2011 ab. An der Erarbeitung waren neben dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und das Bundesamt für Umwelt Bafu beteiligt.

Hintergrund:
Konkret soll die Landwirtschaft bis 2050 “klima- und standortangepasst” produzieren und so einen Selbstversorgungsgrad von mindestens 50 Prozent erreichen. Also soll die Hälfte der in der Schweiz konsumierten Lebensmittel innerhalb der Landesgrenzen produziert werden, auch bei steigender Bevölkerung.

Die Treibhausgasemissionen der landwirtschaftlichen Produktion im Inland sollen gegenüber 1990 um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig soll auch die Bevölkerung einen Teil dazu beitragen.

Im Jahr 2020 belief sich der Fussabdruck der Schweizer Haushalte für Lebensmittel gemäss Umweltgesamtrechnung auf 16.8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das macht rund 24 Prozent des gesamten Treibhausgas-Fussabdrucks der Haushalte aus.

Mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung soll der CO2-Fussabdruck pro Kopf um zwei Drittel gegenüber 2020 verringert werden.

Dazu gehört, dass sich mehr Schweizerinnen und Schweizer gemäss der Ernährungspyramide ernähren sollen. Würde man sich an die aktuelle Lebensmittelpyramide halten, könnte man die Umweltauswirkungen um 50 Prozent reduzieren, erklärte Michael Beer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. “Es braucht auch in der Ernährung eine Verhaltensänderung”, stellte er gegenüber Radio SRF klar. “Zwei bis drei Portionen Fleisch pro Woche wären aus gesundheitlicher Sicht das Maximum. Wir essen dreimal so viel”, so Beer. Erreicht werden soll dies durch das Streuen von Informationen. Auch die Wahlfreiheit soll respektiert werden. Ein Eingriff in den Lebensmittelmarkt, etwa durch Verteuerung von Fleisch, sei nicht Aufgabe des Bundes.

Zu mehr Nachhaltigkeit beitragen sollen alle Beteiligten der Wertschöpfungskette. Den Berufsleuten, von Landwirtschaft bis Detailhandel, sollen Kompetenzen vermittelt werden und es gibt einen Aktionsplan gegen Foodwaste. Auch soll in die Pflanzenzüchtung investiert werden, um robuste Kulturen und Sorten zu erhalten, die an zukünftige Klimabedingungen angepasst sind. Ein neues Wassernutzungskonzept soll Landwirt:innen helfen, Trockenperioden zu überwinden.

In der “Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050”, wie das Dokument mit vollem Namen heisst, sind bereits eingeleitete wie auch neue Massnahmen enthalten. Damit soll die landwirtschaftliche Produktion klimaresistenter werden, Handelsbeziehungen nachhaltiger ausgerichtet oder Lebensmittelverluste reduziert werden. Kurz: Die Inhalte der Strategie sollen die politischen Entscheide rund um das Ernährungssystem massgeblich prägen.

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Gipfeltreffen in Indien.

Am Samstagmorgen startete der Gipfel der G20-Staaten in Neu Delhi. Mit der Eröffnung gab der indische Premier Narendra Modi die Aufnahme der Afrikanischen Union bekannt. Zur Gruppe der G20 gehören 19 der stärksten Volkswirtschaften der Welt, die Europäische Union und nun auch die Afrikanische Union. Indien hat derzeit den Vorsitz der Gruppe inne. Der indische Regierungschef versucht, sein Land als Anführer des globalen Südens zu profilieren. Die Aufnahme der Afrikanischen Union, die 55 Staaten vertritt, ist für ihn deshalb ein wichtiger Erfolg des Gipfels.

Selten herrschte so wenig Einigkeit.
Doch Erfolge dürfte es an diesem Wochenende in der indischen Grossstadt nicht mehr viele geben. Zum ersten Mal überhaupt könnte ein G20-Gipfel ohne Abschlusserklärung zu Ende gehen. Bereits die Vorbereitungstreffen auf Ministerebene sind ohne Einigung geblieben. Grösster Streitpunkt ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die westlichen Regierungschefs wollen, dass zumindest “die meisten” G20-Staaten Russland “scharf verurteilen”. Doch Russland will - wenig überraschend - einer solchen Kompromissformel nicht mehr zustimmen.

Auch auf der Kippe steht eine deutliche Formulierung bezüglich der Klimakrise. Die G20-Gruppe vereint die grössten Luftverschmutzer der Welt, allen voran China und die USA. Und Gastgeber Indien produziert rund 70 Prozent des Stroms mit klimaschädlicher Kohle. Seit 2015 ist der CO2-Ausstoss der Staatengruppe nicht gesunken, sondern sogar um fast zehn Prozent gestiegen. Bei den Vorverhandlungen hat sich schon gezeigt, dass gerade afrikanische Staaten verbittert reagieren, wenn sie jetzt das Weltklima retten sollen, das von den reicheren Ländern für den eigenen Wohlstand in Gefahr gebracht wurde.

Ein weiteres Thema sind die hochverschuldeten armen Staaten, denen ein Schuldenerlass in Aussicht gestellt werden könnte. Auch die Digitalisierung soll ein Thema sein, etwa eine engere Zusammenarbeit bei Digitalwährungen. Hier dürften die G20-Staaten gewillt sein, ein Mindestmass an Kooperation an den Tag zu legen.

Was ist jetzt mit diesem Bharat?
Im ganzen Text sprachen wir immer von Indien. So lautet auch der offizielle Name des Staates. In Indien verdichten sich jedoch die Gerüchte, dass die aktuelle Regierungspartei BJP das Land umbenennen will. Anders als erwartet wurde die Gastgeberin des G20-Gipfels, Staatspräsidentin Draupadi Murmu, als “President of Bharat” statt “President of India” bezeichnet. Und anfangs Woche nahm Premier Modi als Premierminister von Bharat am Gipfeltreffen der asiatischen Staaten teil.

Der Name Bharat ist für den Westen weitgehend unbekannt. Nicht so für Inderinnen und Inder: Bharat ist seit 1949 in der Verfassung als Synonym für Indien erwähnt. Der Name kommt aus der altindischen Sprache Sanskrit und ist 2000 Jahre alt. Und damit deutlich älter als der englische Name India, der bei Nationalist:innen ungute Erinnerungen an die Kolonialzeit hervorruft.

Hinter dem Namenswechsel könnte jedoch auch politisches Kalkül stecken: Vor wenigen Monaten hatten sich die verschiedenen Oppositionsparteien unter dem Namen India, also Indien, zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, bei den Wahlen im kommenden Jahr gemeinsam gegen die Regierungspartei und Premier Narendra Modi zu kämpfen. Plötzlich kämpft dieser nicht gegen zersplitterte Oppositionsparteien, sondern gegen “Indien”. Mit der Umbenennung Indiens in Bharat gäbe es eine neue Konstellation. Dann würde die Parteienkoalition “Indien” gegen die Regierung von “Bharat” antreten - und damit gegen viele hochgeschätzte Werte und Traditionen, die viele Inderinnen und Inder mit dem alten Namen verbinden.

Gerüchten zufolge könnte bei einer Sondersitzung des Parlaments Mitte September die Umbenennung offiziell beschlossen werden.

Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.

Spaniens Fussballwelt kommt nicht zur Ruhe:
Ende August entschieden die Spanierinnen das Finale der Fussbal-WM für sich. Seither gab aber nicht der Sieg der Frauenmannschaft zu reden, sondern das Fehlverhalten eines einzelnen Mannes. Präsident des spanischen Fussballverbandes Luis Rubiales hatte die Spielerin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung nach dem WM-Sieg übergriffig auf den Mund geküsst. Rubiales verweigert einen freiwilligen Rücktritt von seinem Posten und sprach von einem “einvernehmlichen Kuss”. Hermoso habe sich hingegen als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der sie nicht zugestimmt habe, wie sie erklärte. Sie hatte diese Woche bei der spanischen Staatsanwaltschaft ausgesagt und Rubiales im Anschluss angezeigt. Mittlerweile wirft auch die Staatsanwaltschaft dem Funktionär sexuelle Nötigung vor und eröffnete ein Verfahren gegen ihn. Seit der jüngsten Reform des spanischen Strafgesetzbuches kann ein nicht einvernehmlicher Kuss als sexueller Übergriff betrachtet werden.

Verheerendes Erdbeben in Marokko:
In der Nacht auf Samstag bebte die Erde in Marokko mit einer Stärke von 6.8 und einem Nachbeben der Stärke 4.9. In vielen Gebieten vom Atlasgebirge bis zur berühmten Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude teils völlig zerstört und bekannte Kulturdenkmäler beschädigt. Das Beben ereignete sich am Freitagabend kurz nach 23 Uhr, das Epizentrum lag laut der US-Erdbebenwarte etwa 72 Kilometer südwestlich von Marrakesch in einer Tiefe von 18.5 Kilometern. Laut marokkanischem Innenministerium ist die Zahl der Todesopfer bis Samstagabend auf über 1’000 gestiegen. Es wird davon ausgegangen, dass die Zahl noch steigen wird. Dem Innenministerium zufolge sind die meisten Schäden ausserhalb der Städte entstanden, betroffene Gebiete konnten teils noch nicht erreicht werden. Das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat entschieden, Marokko ein Hilfsangebot zu unterbreiten. Die Details waren bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Derzeit gebe es keine Hinweise auf Schweizer Opfer im Erdbebengebiet, wie das Departement auf dem Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, mitteilte.


Redaktionsschluss: Samstag um 17:30
Weekly 36/2023

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