Weekly, KW43
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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Willkommen zum Nachrichtenrückblick der Woche. Heute mit diesen Themen:
Friedensverhandlungen in der Tigray-Region. Nimmt der Bürgerkrieg in Äthiopien ein Ende?
Die Grossbank Credit Suisse baut ihr Geschäftsmodell radikal um - nicht ganz freiwillig.
Und schliesslich werfen wir einen Blick auf die Mediennutzung in der Schweiz und einen Ausblick auf die Stichwahl in Brasilien heute Sonntag.
Friedensverhandlungen zum Tigray-Krieg.
Seit zwei Jahren herrscht in Äthiopien ein erbitterter Krieg um die Region Tigray. Bis zu einer halben Million Menschen sollen bereits gestorben sein, mehr als fünf Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Diese Woche haben nun Friedensgespräche in Südafrika begonnen.
Hintergrund:
Äthiopien ist mit rund 110 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt. Mehr als 100 verschiedene Ethnien machen Äthiopien ausserdem zum Vielvölkerstaat. Neben der Landessprache Amharisch gibt es mehr als 70 anerkannte Regionalsprachen. Das Land zählt zu den einflussreichsten in Afrika und liegt zudem in einer der strategisch wichtigsten Regionen der Welt – dem Horn von Afrika. Nicht zuletzt das macht die bewaffnete Auseinandersetzung in der nördlichen Region Tigray in den Augen vieler Beobachter:innen so gefährlich.
Der aktuelle Konflikt keimte im Sommer 2020 auf, als die anstehenden Parlamentswahlen von der Zentralregierung verschoben wurden. Die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) - die nach Amtsantritt von Ministerpräsident Abiy Ahmed an Einfluss verlor und sich 2019 aus der Landesregierung zurückzog - kritisierte das Verschieben der Wahlen als illegal. Gleichzeitig organisierte sie im Herbst 2020 eine Regionalwahl in der Region Tigray, ernannte sich als Wahlsiegerin und entzog der Landesregierung die rechtliche Zuständigkeit für die Region. Anfang November 2020 eskalierte der Konflikt militärisch. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, mit den Kampfhandlungen begonnen zu haben.
Was jetzt passiert:
Ziel der nun in Südafrika begonnenen Friedensgespräche sei es, eine „anhaltende politische Lösung“ zu finden und zu einem „vereinten“ und „stabilen“ Äthiopien beizutragen, teilte die Kommission der Afrikanischen Union (AU) mit. Vermittler seien laut AU die Ex-Präsidenten Nigerias, Olusegun Obasanjo, und Kenias, Uhuru Kenyatta, sowie die frühere südafrikanische Vize-Präsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka. Neben den Hauptakteuren der äthiopischen Regierung und der Volksbefreiungsfront von Tigray reisten auch Vertreter der Vereinten Nationen, der USA und der ostafrikanischen Staatengemeinschaft IGAD zu den Gesprächen in die südafrikanische Hauptstadt Pretoria.
Den Verhandlungen ist eine monatelange Organisation vorausgegangen. Keine der beiden Kriegsparteien traut der Anderen. Da die Region Tigray seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen überwiegend von allen Kommunikationswegen abgeschnitten ist, sind Aussagen der Konfliktparteien nicht durch unabhängige Quellen überprüfbar.
Ziel sei es nun, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zu erreichen. Anschliessend sei eine humanitäre Krise zu bewältigen, heisst es von Seiten der Vereinten Nationen. Seit zwei Jahren ist Tigray unter anderem von Bankenverkehr, Stromversorgung, Medikamentenlieferungen, Kommunikation und Medienzugang abgeschnitten. Aktuell seien etwa fünf Millionen Menschen auf Hilfe von aussen angewiesen, sagte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden gegenüber Deutschlandfunk. Viele Kinder würden sterben, wenn nicht bald gehandelt werde. Die Kriegsparteien legten eine ungeheure Rücksichtslosigkeit gegen Zivilbevölkerung und Helfende an den Tag, erklärte Tarneden weiter. So seien zuletzt Brücken, Gesundheitsstationen und Einrichtungen für die Wasserversorgung zerstört worden.
Die Verhandlungen sind bis heute Sonntag geplant, bis Redaktionsschluss wurden keine Ergebnisse oder Einigungen bekannt gegeben.
Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.
Grossbank Credit Suisse baut Unternehmen radikal um:
Zum vierten Mal in Folge lieferte die CS am Donnerstag Quartalsverluste und ist seit den beiden Debakel um den Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und die Liquidierung der Greensill-Fonds im vergangenen Jahr stark angeschlagen. Mit einer Umstrukturierung will sie es aus der Krise schaffen. Dabei sollen Teile der stark verlustbringenden Investmentbank-Sparte verkauft werden und stärker auf die Vermögensverwaltung gesetzt werden..
Im Zuge dessen kommt es auch zu einem Stellenabbau. Bis 2025 sollen weltweit rund 9’000 Mitarbeitende weniger für die Credit Suisse arbeiten. 2’700 Stellen davon werden bis Ende Jahr abgebaut, rund 540 in der Schweiz.
Auch bis 2025 sollen rund 4 Milliarden zusätzliches Kapital die Bank retten. Als neuen Investor hat die Grossbank die Saudi National Bank gewonnen. Diese habe sich verpflichtet, bis zu 1.5 Milliarden Franken zu investieren. Sie wird damit einen Anteil von bis zu 9.9 Prozent an der Grossbank erwerben und wird so zu einer der grössten Aktionärinnen.
Die Bündner:innen haben den Längsten:
…Personenzug der Welt. Den Weltrekord stellte am Samstag die Rhätische Bahn (RhB) auf der Strecke zwischen Preda GR und Alvaneu GR auf. Der 1910 Meter lange Zug bestand aus 25 vierteiligen Triebzügen, die zusammengekoppelt wurden. Geführt wurde er von sieben Lokführer, die dank einem Feldtelefon der Armee kommunizieren konnten. Denn weder per Funk noch Handy hätte wegen der vielen Tunnel auf der Strecke sonst überall gleichzeitig Empfang gewährleistet werden können. Mit dem Weltrekord will die RhB für das Bündnerland Werbung machen, aber auch einen Beitrag zum 175 Jahr-Jubiläum der Schweizer Bahnen leisten.
Besonders spektakulär ist die Fahrt auch wegen dem Streckenverlauf: An einigen Stellen fuhren die vorderen Triebzüge direkt unter den hinteren durch, die noch einen Kehrtunnel befahren mussten.
Stichwahl in Brasilien:
Heute Sonntag kommt es in Brasilien zur Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro und dem Herausforderer und Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Was diese Wahl ausmacht und was zu erwarten ist, kannst du im Weekly vom 2. Oktober nachlesen. Laut Umfragen geht Lula heute mit einem leichten Vorsprung von vier bis fünf Prozentpunkten in die Stichwahl, aber den Umfragen ist zurzeit nur bedingt zu trauen.
Bolsonaro hat in diesen Tagen noch mal viel Geld in Wahlwerbung auf Youtube gesteckt und seine finanziellen Versprechen an die Armen erhöht. Zudem haben ihm nahestehende Pastoren und Unternehmer ihre Anhänger und Angestellte unter Druck gesetzt, Bolsonaro zu wählen. Ein Last-Minute-Sieg ist keineswegs ausgeschlossen.
Und zum Schluss: Sinkender Medienkonsum in der Schweiz.
Immer mehr Menschen in der Schweiz konsumieren keine oder nur sehr wenige Nachrichten. Zu diesem Schluss kommt das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich in seinem “Jahrbuch Qualität der Medien 2022”. Fast vier von zehn Befragten geben an, keine oder kaum Informationsmedien zu nutzen. Die “Mangelversorgung” betreffe nicht nur Junge, sondern auch bei der Altersgruppe 50+ habe der Medienkonsum abgenommen, so der Medienwissenschaftler Mark Eisenegger vom Fög gegenüber SRF: “Diese Unterversorgung mit News ist ein gesamtgesellschaftliches Problem”.
Den Grund für den abnehmenden Nachrichtenkonsum vermutet der Medienforscher bei den Social-Media-Plattformen: “Auf sozialen Medien haben wir ein riesiges Überangebot von Quellen und Informationen. Deshalb vermuten wir, dass diese Reizüberflutung gewissermassen den Journalismus und News an den Rand drückt.” 19- bis 25-jährige verbringen durchschnittlich nur sieben Minuten pro Tag damit, News zu konsumieren.
Der fehlende Medienkonsum habe auch Auswirkungen auf das politische System. Personen, die mit News unterversorgt seien, beteiligten sich unterdurchschnittlich an Abstimmungen und Wahlen, und ihr Vertrauen in die demokratischen Institutionen, etwa den Bundesrat oder Kantonsregierung, sei weniger ausgeprägt, führt das Forschungszentrum weiter aus. Bei gut informierten Bürger:innen beträgt die Stimmbeteiligung im Schnitt 70 Prozent. Bei jenen, die sich kaum informieren, nur 30 Prozent.
Was jetzt passiert:
Der Medienwissenschaftler Eisenegger fordert eine Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung des Journalismus. Er sei systemrelevant. Ohne Journalismus können wir keine Demokratie haben. Damit spricht Mark Eisenegger auch jenen Politikerinnen und Politikern ins Gewissen, die sich regelmässig abschätzig über die Medien äussern.
Parlamentarier von links bis rechts wollen bereits die Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern fördern. Nur so lernen die Jugendlichen, wie wichtig der Journalismus für die Demokratie sei.
Nur wer wisse, was vertrauenswürdige Nachrichten seien, konsumiere sie auch, so der Tenor.
Wenn Du diese Zeilen liest, gehörst Du mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zu den “Nachrichten-Unterversorgten”. Wir danken dir herzlich für Dein Vertrauen in uns und dass Du regelmässig das Weekly liest!
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Redaktionsschluss: 16:10
Weekly 43/2022
Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash
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