Weekly, KW03
Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Galaxus expandiert ins Ausland, Jacinda Ardern tritt zurück. Und heute im Fokus: Das innenpolitische Thema der Woche: Die Corona-Leaks, die Berset-Affäre, oder die Informationsaustausch-Affäre. Wir fassen zusammen und fragen, wie gerecht ist die Kritik an Alain Berset?
Corona-Leaks.
SP-Bundesrat und Innenminister Alain Berset steht seit vergangenem Samstag in der Kritik wegen angeblicher Indiskretion und möglicher Amtsgeheimnisverletzung.
Die Zeitung “Schweiz am Wochenende” berichtete bereits vor einer Woche, dass Peter Lauener, der frühere Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset, dem CEO des Ringier-Verlages während der Corona-Pandemie vertrauliche Informationen zugespielt haben soll.
Hintergrund:
Zwischen dem damaligen Pressesprecher Lauener und Ringierchef Marc Walder sollen laut Medienberichten 180 Kommunikationsvorgänge dokumentiert sein. Etwa die Zeitung “Blick” soll damit mehrmals vorzeitig über Entscheide des Bundesrats informiert gewesen sein und diese publik gemacht haben. Lauener und Walder sollen wöchentlich Kontakt miteinander gehabt haben, Lauener gab dabei etwa Informationen zur Beschaffung von Impfstoff weiter.
Das ist bisher geschehen:
Die Geschichte der “Corona-Leaks” nahm ihren Lauf bereits im November 2020. Am Tag, als die Geschäftsprüfungsdelegation über ihre Untersuchungen zum Crypto-Skandal, eigentlich einem ganz anderen Skandal, informieren wollte. Ihre Erkenntnisse über die Zuger Chiffriergerätefirma im Besitz der US-amerikanischen und deutschen Geheimdienste konnten bloss bereits frühmorgens in den Zeitungen des Tamedia-Verlags gelesen werden. Auch die NZZ wurde vorab mit Infos dazu bedient, aus einer anderen Quelle.
Um wegen möglicher Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Weitergabe von Informationen über den Crypto-Skandal ermitteln zu können, setzte die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft einen ausserordentlichen Staatsanwalt, in Form von SVP-Richter Peter Marti ein. Dieser zitierte Journalist:innen zu Befragungen, machte Hausdurchsuchungen bei zwei Mitarbeitern von Ignazio Cassis, dem Medienchef und dem Generalsekretär des Aussendepartements, und auch Bersets ehemaligem Medienchef Peter Lauener.
Schon bald wurden die Ermittlungen ausgeweitet. Plötzlich ging es nicht mehr nur um die Leaks im Fall Crypto, sondern auch um Indiskretionen aus dem Innendepartement während der Pandemie.
Im Mai 2022 musste Peter Lauener kurzzeitig in Untersuchungshaft. Lauener reichte deshalb gegen Marti Strafanzeige ein. Der Vorwurf: Marti habe seine Ermittlungen unrechtmässig ausgeweitet.
Als Folge dieser Anzeige wurde ein zweiter Sonderermittler eingesetzt: Der ausserordentliche Staatsanwalt Stephan Zimmerli ermittelt gegen Peter Marti.
Und nun, vergangenes Wochenende, fliegt fast alles in die Luft. Die “Schweiz am Wochenende” ist an die Ermittlungsakten gelangt. Ihre Schlagzeile: “Geheime Corona-Protokolle: So fütterte Alain Bersets Departement den Blick.”
Unklar ist, und das ist eigentlich der relevanteste Punkt dabei: Wie viel wusste Bundesrat Berset von der Weitergabe dieser Informationen?
Was jetzt passiert:
Berset konterte am Mittwoch im Gespräch mit SRF, dass die Informationen über mutmassliche Indiskretion gegenüber des Ringier-Verlages nun selbst durch eine Indiskretion an die Redaktion der “Schweiz am Wochenende” gelangten. Weiter äusserte er sich allerdings nicht. Es laufe ein Strafverfahren und dazu gebe er keine Kommentare ab. Dem ermittelnden Staatsanwalt soll er gesagt haben, dass er nichts wusste über die Tätigkeiten seines damaligen Medienchefs.
Gestern Samstag doppelte die “Schweiz am Wochenende” nach. Sie hat erneut Auszüge aus E-Mails veröffentlicht. So schrieb Peter Lauener in einem Mail an Marc Walder etwa: “Freundliche Grüsse auch von Bundesrat Berset”.
Unter die Aufnahmen diverser weiterer E-Mails schreibt die Zeitung: “Die Fülle von Mails widerlegt Behauptungen, es seien nur zwei oder sehr wenige Mails verschickt worden.” Und sie schlussfolgert, dass die Auszüge nahelegten, “dass Berset kaum “nichts” gewusst hatte.”
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich der Gesamtbundesrat an seiner Sitzung am Mittwoch mit dem Thema befassen, das haben diese Woche sowohl Aussenminister Cassis wie auch Finanzministerin Keller-Sutter angedeutet.
Nach einer turbulenten Woche lässt sich sagen: Bersets Name wird aktuell viel genannt, wie stark er wirklich involviert war, sind aktuell nur Spekulationen. Dies muss juristisch geklärt werden.
Und auch die Frage, wem diese Diskussion aktuell nützt, ist interessant. Wer konnte E-Mails und Protokolle aus einer laufenden Strafuntersuchung an die Medien weitergeben?
Berset gilt in der Bevölkerung noch immer als der beliebteste Bundesrat. Allen Affären zum Trotz. Und alle Augen sind auf ihn gerichtet, den amtsältesten Bundesrat der Regierung und schliesslich auch das Aushängeschild der SP im Wahljahr 2023.
Deutsche Verteidigungsministerin tritt zurück.
Christine Lambrecht, die deutsche Verteidigungsministerin, gab am Montagmorgen ihren Rücktritt bekannt. Kritik erhielt Lambrecht etwa wegen der schleppend angelaufenen Beschaffung für die Bundeswehr und ihr wurde fehlende Sachkenntnis vorgeworfen. Fast schon legendär war ihre Weigerung, die Dienstgrade der Bundeswehr zu erlernen.
Negativschlagzeilen machte ausserdem ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber und ihre auf Instagram veröffentlichte Neujahrsbotschaft. Begleitet vom Knallen von Silvesterfeuerwerk sprach sie über den Ukraine-Krieg. Lambrecht schrieb in ihrer Erklärung, dass die monatelange mediale Fokussierung auf ihre Person eine sachliche Diskussion über die Bundeswehr verhindere.
Bereits am Dienstag war die Nachfolge bekannt. Kanzler Olaf Scholz ernannte den Innenminister des Bundeslandes Niedersachsen, Boris Pistorius, zum neuen Verteidigungsminister. Damit hebelt Scholz seinen eigenen Anspruch aus, die SPD-Ministerposten geschlechtergerecht zu verteilen.
Pistorius gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister:innen hat er sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Ein weiterer Vorteil dürfte seine Herkunft sein: Im Bundesland Niedersachsen hat die deutsche Bundeswehr die meisten Standorte.
Bereits einen Tag nach Dienstantritt erwartete Boris Pistorius ein äusserst wichtiges Treffen. Auf der US-Luftwaffenbasis im deutschen Ramstein traf sich die Ukraine-Kontaktgruppe, ein Zusammenschluss westlicher Staaten. Beim Treffen am Freitag versprachen mehrere Staaten weitere Unterstützung in die Ukraine zu senden, etwa Luftabwehrsysteme oder Artilleriegeschütze. Besonders im Fokus stand in den letzten Tagen Deutschland und eine mögliche Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2.
Die Lieferung von Kampfpanzer bedeutet konkret, dass die Ukraine nicht nur über Abwehrsysteme verfügt, sondern auch selbst angreifen und ihre Gebiete zurückerobern könnte. Deutschland ist Herstellerland des Leopard 2 und hat in Europa eine Schlüsselrolle inne. Bewegt sich Berlin, dann folgen alle anderen nach. Exponiert sich die Bundesregierung aber zu sehr, könnte sie eine unkontrollierbare Reaktion Russlands provozieren. Vor diesem Schritt zögert die deutsche Regierung deutlich und fordert etwa von den USA, im Gegenzug Panzer des Typs Abrams aus US-Produktion zu liefern. US-Verteidigungsminister Austin reagierte demnach bei seinem Besuch in Deutschland äusserst verärgert. Die Begegnung mit den deutschen Vertretern sei “angespannt” gewesen.
Derweil erwägt Polen die Lieferung von Leopard 2 Panzer, ohne die Genehmigung des Herstellerlandes Deutschland erhalten zu haben. Die Niederlande machten eine Lieferung aus ihren Beständen von der deutschen Entscheidung abhängig.
Verteidigungsminister Boris Pistorius dürfte sich wohl eine deutlich ruhigere Amtsübernahme gewünscht haben.
Weitere Nachrichten der Woche in Kurzform.
Neuseeland - Jacinda Ardern tritt zurück:
Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern gab am Donnerstag überraschend ihren Rücktritt bekannt. Nach fünfeinhalb Jahren, geprägt von Krisen und Katastrophen, hat sie genug. Sie wisse, was man für diesen Job brauche und sie wisse auch, dass sie nicht mehr genug im Tank habe dafür, so einfach sei es, verkündete Ardern während ihrer ersten Pressekonferenz in diesem Jahr. Auch Politiker:innen seien nur Menschen.
Weltweit war die beliebte Labour-Politikerin in den Medienfokus gerückt, als sie 2017 mit damals erst 37 Jahren die jüngste Ministerpräsidentin der Welt wurde. Als sie im Juni 2018 ihre Tochter Neve zur Welt brachte, war sie die erste Regierungschefin seit Jahrzehnten, die während ihrer Amtszeit Mutter wurde. Unvergessen die Bilder von ihr, ihrem Mann und Neve, damals noch als Kleinkind, bei der UNO-Generalversammlung in New York.
Ardern setzte während ihrer Amtszeit auf Offenheit und Ehrlichkeit und bewies damit der Weltöffentlichkeit, dass auch eine Frau mit Familie dem Amt einer Regierungschefin gewachsen sein kann. Gleichzeitig konnte sie aber auch ihr Land als Schutz vor dem Coronavirus vom Rest der Welt abriegeln. Nach eineinhalb Jahren musste letztlich aber auch sie eingestehen, dass kein Land der Welt das Virus auf Dauer komplett ausrotten kann. Die “Null-Covid-Strategie” wurde Ende 2021 aufgehoben.
Auf Jacinda Ardern folgt nächsten Mittwoch der bisherige Polizei- und Erziehungsminister Chris Hipkins. Er wurde am Sonntag von einem Ausschuss der Labour-Partei gewählt. Die regulären Parlamentswahlen finden dann am 14. Oktober statt.
Galaxus expandiert:
Der Schweizer Onlinehändler Digitec Galaxus gab am Donnerstag bekannt, künftig auch Kundinnen und Kunden aus Italien zu beliefern. Diese Ankündigung folgte genau sieben Tage nach der Expansion nach Frankreich. Beide Länder werden ab dem Logistikzentrum im deutschen Krefeld bedient. Produkte ab Lager gelangen laut dem Unternehmen in drei bis fünf Tagen an die Empfängeradressen. Damit eröffnet das zur Migros-Grppe gehörende Unternehmen bereits den vierten Onlineshop im Ausland. Den Anfang machte 2018 Galaxus Deutschland, gefolgt von Galaxus Österreich im Herbst 2021. Im Geschäftsjahr 21 habe man im internationalen Geschäft erstmals über 100 Millionen Euro Umsatz erzielt, hiess es vor einem Jahr. Galaxus will in Frankreich und Italien mit einem breiten Sortiment und der 30-köpfigen Redaktion, die bereits jetzt das Sortiment unabhängig testet und bewertet ,überzeugen. Und dank der mehrsprachigen Schweiz beherrscht der Online-Händler auch die Kommunikation und Kundendienst in Französisch und Italienisch.
Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.
Redaktionsschluss: 17:50
Weekly 03/2023
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