Weekly, KW 12
Guten Morgen aus der rethink-Redaktion.
Wir bitten um Entschuldigung. Für einmal schauen wir erst am Dienstagmorgen auf die wichtigsten Nachrichten der Woche zurück. Unser Schreiberling war kurz damit beschäftigt, Kapitän zu werden, darum musste das Weekly warten.
Nun aber hat er Zeit, die Themen zusammenzufassen, die letzte Woche für Wellen gesorgt haben:
Wir schauen nach Deutschland, das kurz einen kleinen Streit mit der EU angefangen hat, über ein Thema, wo niemand ganz sicher ist, ob sich der Streit überhaupt lohnt. Wir berichten über den neuesten Bericht des Weltklimarats, und was dieser aussagt. Und im Fokus heute: Ein neues Gesetz in Uganda, das massiv die Rechte von queeren Menschen einschränkt. Noch weiter als bisher.
Härtere Strafen für Homosexuelle in Uganda.
Letzten Dienstag hat das Parlament in Uganda ein Gesetz beschlossen, das die Rechte von homo- und transsexuellen Menschen massiv beeinträchtigt. Nur schon wer homo- oder transsexuell ist, soll dafür ins Gefängnis müssen. Es verschärft die schon bestehenden Strafen in dem ostafrikanischen Land noch weiter - Homosexueller Geschlechtsverkehr ist in Uganda heute schon illegal. Geht es nach dem neuen Gesetz, drohen Menschen, die homosexuelle Handlungen vollziehen oder Versuche homosexueller Handlungen nicht melden, zwischen sieben und zehn Jahren Haft oder hohe Geldstrafen. Selbst wer etwa eine Wohnung an ein schwules Paar vermietet, muss künftig mit einer Haftstrafe rechnen. Auch sollen alle Menschen unter Strafe gestellt werden, die sich weder als “Mann” noch als “Frau” identifizieren. Queere Menschen in Uganda berichten bereits von zunehmender Gewalt und von Erpressern, die drohten, ihre sexuelle Orientierung öffentlich zu machen.
Hintergrund:
Die Parlamentspräsidentin hatte eine namentliche Abstimmung angesetzt und erklärt, es sei wichtig zu wissen, wer möglicherweise gegen die Vorlage sei. Fast alle der 389 Abgeordneten stimmten für das Gesetz. Das Gesetz soll eine weitere Verbreitung der Homosexualität bremsen. Es gehe darum, die Kinder zu schützen, sagte ein Abgeordneter. Ein anderer Parlamentarier sagte, Homosexualität sei eine Bedrohung für die menschliche Rasse.
In der Debatte riefen die Politiker:innen immer wieder homophobe Parolen. Ein Abgeordneter forderte am Dienstag, man müsse auch Vaseline verbieten, die sei nichts weiter als ein Mittel zur Verbreitung der Homosexualität. Keine Gleitcreme, keine Schwulen, so einfach sei das. Ein anderer äusserte Unverständnis für homosexuelle Männer: Es gebe doch nichts schöneres als der Akt mit einer Frau, sagte er unter Gelächter im ugandischen Parlament.
Intoleranz und Hass auf Homosexuelle hat in Uganda eine gewisse Tradition, bereits 2009 wurde ein Gesetz vorgestellt, das Homosexualität unter Todesstrafe stellt, 2013 wurde daraus lebenslange Haft. In Kraft trat es aber nie, wohl auch, weil viele westliche Länder damit drohten, die Entwicklungshilfe in Uganda zu reduzieren.
Mit der neuesten Entwicklung ist Uganda nicht alleine auf dem afrikanischen Kontinent. In vielen Ländern Afrikas gehört Schwulenfeindlichkeit zum gesellschaftlichen Konsens. Von den 69 Ländern, die weltweit gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisieren, liegen 33 in Afrika. Dass Homosexualität “un-afrikanisch” sei, ist ein Argument, das seit Jahren von schwulenfeindlichen Politikern benutzt wird.
Für Kenias Präsident William Ruto ist Homosexualität ein westlicher Import, den Kenias “Bräuche, Traditionen, Christentum und Islam nicht zulassen können”. Simbabwes verstorbener Diktator Robert Mugabe hatte seit Jahrzehnten gegen Schwule gehetzt und davon geredet, dass “europäische Homosexuelle in Afrika rekrutieren”. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass nicht die Homosexualität aus Europa importiert wurde, sondern eher die Homophobie. In Simbabwe gibt es Höhlenmalereien, die gleichgeschlechtlichen Sex zeigen. Buganda, ein Königreich im heutigen Uganda, wurde von einem schwulen König geführt.
Die heutige Stimmung hat Wurzeln in der Vergangenheit, etwa durch Einflüsse von Missionaren, die schon früh gesagt hatten, dass Homosexualität nicht christlichen Werten entspricht. Und weiter stammen viele Gesetze aus der Kolonialzeit. Vor allem in den früheren britischen Kolonien lesen sich viele Gesetze vor Ort noch wie das britische Strafgesetzbuch vor über 50 Jahren - das damals Homosexualität eben noch verboten hatte. Im Gegensatz zur französischen Gesetzgebung, die damals schon liberaler war. Deswegen finden sich solche Gesetze in französischsprachigen Ländern auch seltener.
Nur wenige Länder in Afrika setzen sich für die Rechte von queeren Menschen ein, Botswana und Angola haben in den vergangenen Jahren entsprechende Gesetze erlassen.
Was jetzt passiert:
Das Gesetz in Uganda geht nun zum langjährigen Präsidenten Yoweri Museveni, der sein Veto einlegen oder das Gesetz unterzeichnen kann. In einer kürzlich gehaltenen Rede deutete er an, dass er den Gesetzesentwurf unterstützt.
Im Gegensatz zu Europa, wo viele Länder, darunter auch die Schweiz, immer progressiver und offener gegenüber sexuellen Minderheiten begegnen, scheint dies in Afrika andersrum zu sein. Gründe dafür liegen auch in der Religion. Viele Kirchenoberhäupter sind eng verbandelt mit Politikern, teilweise hetzen auch evangelikale Freikirchen gegen Minderheiten, nicht selten mit Unterstützung aus den USA. Sollte sich einen Wandel abzeichnen, erfolgt dieser wahrscheinlich als erstes in der Bevölkerung, als auf politischer Ebene. Vor allem unter Jugendlichen in Grossstädten ist Homophobie weit weniger verbreitet.
Synthesebericht des Weltklimarats.
Letzten Montag erschien der Bericht des Weltklimarats, der den aktuellen Stand des Wissens über die Klimakrise zusammenfasst. Der Bericht stellt etwa klar, dass die Erde alles andere als auf Kurs im Kampf gegen den Klimawandel ist. Die globale Oberflächentemperatur lag im Zeitraum 2011 - 2020 um 1.1°C höher als der Wert von 1850-1990. Der Weltklimarat kommt zum Schluss, dass bereits 2030 die Grenze von 1.5 Grad Celsius überschritten wird. Und bereits jetzt haben weitverbreitete und schnelle Veränderungen stattgefunden, etwa in der Atmosphäre und im Ozean. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirke sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. Das 1.5-Grad-Ziel sei noch erreichbar, aber nur, wenn die Treibhausgasemissionen bis 2030 drastisch - und zwar um knapp die Hälfte - reduziert werden.
Seit dem letzten Synthesebericht vor neun Jahren wisse die Wissenschaft heute viel genauer Bescheid über die Risiken des Klimawandels. Noch 2014 ging man davon aus, dass eine Erwärmung um 2 Grad einigermassen tragbar wäre. Heute sei klar, dass auch die Erwärmung um 1.5 Grad schon sehr grosse Auswirkungen habe.
Hintergrund:
Erarbeitet wurde der sogenannte Synthesebericht unter anderem vorletzte Woche in Interlaken im Berner Oberland. Aus 10’000 Seiten und sieben Berichten zu unterschiedlichen Themen wurde ein Bericht mit 30 Seiten. Vertreter:innen aus 130 Ländern haben mitgewirkt. Ihre Meinungen darüber, wie der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst werden soll, gingen zum Teil massiv auseinander. Das Endprodukt akzeptieren 190 Regierungen als den neuesten Stand des Wissens.
Der neue Bericht soll auch als Grundlage für die nächste Klimakonferenz dienen, die im Dezember in Dubai stattfindet.
Verbrennerverbot in der EU.
Das Verbot, dass ab 2035 in der Europäischen Union keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor verkauft werden dürfen, war eigentlich bereits beschlossene Sache ( wir berichteten im Weekly, KW07 darüber). Doch am EU-Gipfel vergangene Woche hievte es sich erneut auf die Agenda. Deutschland stellte das Verbot plötzlich in Frage und forderte einen Vorschlag für eine Ausnahme von e-Fuels, also klimaneutrale und synthetische Kraftstoffe. Von der deutschen Ampelregierung forderte einzig die FDP eine Ausnahme für solche Antriebsarten.
Diese schaffte es nun, dass das Thema in der EU an höchster Stelle erneut diskutiert wurde.
Für Deutschland sei es wichtig, dass auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, solche die e-Fuels tanken. Dass eine solche Forderung von Deutschland, dem grössten Autoproduzenten in Europa, kommt, mag nicht verwundern.
Doch es scheint ein wenig, als diskutiere die Politik und damit die FDP an der Automobilbranche vorbei. Denn alle deutsche Hersteller haben sich bereits vor dem EU-Verbot für einen Umstieg auf Elektroantriebe ausgesprochen. Schon vor Monaten hatte der Chef des Volkswagenkonzerns seine Skepsis gegenüber klimaneutralen Kraftstoffen klargemacht. Konzernkollege und Audi-Chef setzte anfangs März nach: Audi sehe in der politischen Diskussion das Risiko, dass der klare EU-Beschluss zum Verbrenner-Ausstieg wieder infrage gestellt wird. Das berge die Gefahr einer Hängepartie und wäre fatal für die Autoindustrie. Audi habe sich klar für den Elektroantrieb entschieden und erwarte diese Sicherheit auch von politischer Seite.
e-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren laufen können. Sie werden mithilfe von Strom aus Wasser und Co2 hergestellt. Sie gelten als knapp, teuer und ineffizient. Ausserdem werden sie bislang kaum produziert.
Nach dem Willen der EU-Kommission sollen sie vor allem für den Schiffs- oder Flugverkehr verwendet werden, da sich hier eine Elektrisierung schwieriger gestaltet.
Am Samstag einigten sich Deutschland und die EU nun über die e-Fuels. Man werde jetzt daran arbeiten, dass die Verordnung über Co2-Standards für Autos so schnell wie möglich verabschiedet werde. Der deutsche Verkehrsminister teilte mit, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen sein soll.
Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.
Redaktionsschluss: 27.03.2023
Weekly 12/2023
Headerbild von Milad Fakurian auf Unsplash
© rethink-blog 2023