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AHV-Reform

Am 25. September erhält das Stimmvolk zum wiederholten Male die Möglichkeit über eine AHV-Reform abzustimmen. In den letzten 25 Jahren sind alle Versuche gescheitert, die Alters- und Hinterlassenenversicherung zu reformieren und ihre finanziellen Probleme zu beseitigen. Dies soll nun wie folgt geschehen:

2.6 Millionen Rentner:innen erhalten eine AHV-Rente. Für die meisten stellt es einen wesentlichen Teil ihres Einkommens dar. Die Renten sind aber nicht mehr gesichert, weil die Ausgaben der AHV stärker steigen als ihre Einnahmen. Oder anders gesagt: Die Zahl der Pensionierten, die AHV beziehen, steigt schneller als die Zahl der Erwerbstätigen, die in die AHV einzahlen. Nach Angaben des Bundesrates hat die AHV in den nächsten zehn Jahren einen Finanzierungsbedarf von rund 18.5 Milliarden Franken. 

Die Reform AHV 21 besteht aus zwei Vorlagen, über die separat abgestimmt wird, aber miteinander verknüpft sind. Wird eine der beiden Vorlagen abgelehnt, scheitert die ganze Vorlage.


Was sich ändert:

Erhöhung des Frauenrentenalters:
Mit der Reform AHV 21 wird für Frau und Mann ein einheitliches Rentenalter von 65 Jahren eingeführt. Dieses wird jedoch neu als Referenzalter bezeichnet: Wer mit 65 die Rente bezieht, erhält diese ohne Abzüge oder Zuschläge ausbezahlt. Das Referenzalter der Frauen wird in vier Schritten von 64 auf 65 Jahre erhöht. Tritt die Reform wie geplant im Jahr 2024 in Kraft, steigt das Referenzalter der Frauen erstmals am 1. Januar 2025 um drei Monate. Ab Anfang 2028 gilt für alle das Referenzalter 65.

Die Erhöhung des AHV-Alters kann für Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen, einen Einschnitt in die Lebensplanung bedeuten. Aus diesem Grund werden gleichzeitig zwei Ausgleichsmassnahmen eingeführt. Die erste kommt diesen Frauen zugute, die ihre Rente vor dem Referenzalter 65 beziehen. Bei einem Vorbezug wird die AHV-Rente gekürzt, da sie länger ausbezahlt wird. Für Frauen mit Jahrgang 1961 bis 69 weicht die Reform von der normalen Kürzung ab: ihre Renten werden weniger stark gekürzt, und zwar lebenslang. Ab Jahrgang 1970 gilt dann die gleiche Regelung wie für die Männer: Vorbezug der AHV frühestens ab 63 Jahren und normale Kürzung der Rente. 

Die zweite Ausgleichsmassnahme betrifft ebenfalls die Jahrgänge 1961 bis 1969, jedoch die Frauen, die ihre Rente nicht vorbeziehen und mit 65 in Pension gehen werden: Sie erhalten einen Rentenzuschlag. Dieser ist bei tiefen Einkommen grösser als bei höheren Einkommen und wird lebenslang ausbezahlt.


Flexiblere Rente:
Wer sich heute für eine frühzeitige Pension entscheidet, kann die AHV-Rente nur entweder ein oder zwei Jahre im Voraus beziehen. Zudem muss immer die ganze Rente bezogen werden. Mit der Reform AHV 21 kann im Alter zwischen 63 und 70 Jahren ab jedem beliebigen Monat bezogen werden. Neu soll es auch möglich sein, nur einen Teil der Rente zu beziehen, so wird ein schrittweiser Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand einfacher. 

Mit dem Bundesbeschluss über die Erhöhung des Frauenrentenalters muss die Bundesverfassung angepasst werden. Dafür ist eine Volksabstimmung obligatorisch. Für eine Annahme ist die Mehrheit vom Volk wie auch den Ständen (Kantone) notwendig.

Konto-Zwischenstand:
Nach Berechnungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV verringert die Erhöhung des Frauenrentenalters die Ausgaben der AHV um rund 9 Milliarden Franken. Im Gegenzug kosten die Ausgleichsmassnahmen rund 2.8 Milliarden. Dazu kommen Aufwände für die flexible Pensionierung von ungefähr 1.3 Milliarden Franken. Alles in Allem entlastet die AHV 21 Reform die AHV bis 2032 somit um rund 4.9 Milliarden Franken. 

Erhöhung der Mehrwertsteuer:
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Entlastungsmassnahmen sollen für die Alters- und Hinterlassenenversicherung auch Mehreinnahmen generiert werden. Das konnte im Mai 2019 mit der Annahme der Vorlage zur Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) bereits einmal erreicht werden. Damals wurden die Lohnbeiträge für die AHV und der Beitrag des Bundes an die AHV angehoben. Die STAF-Vorlage hat bewirkt, dass die AHV seit 2020 pro Jahr rund 2 Milliarden Franken zusätzlich erhält. Für eine längerfristige Stabiliserung reicht das aber nicht aus. 

Dafür soll nun die Mehrwertsteuer erhöht werden: Der Normalsatz steigt von heute 7.7 auf 8.1 Prozent. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz - etwa für Nahrungsmittel, Medikamente, Zeitungen und Bücher - steigt nach dem Willen von Bundesrat und Parlament von 2.5 auf 2.6 Prozent. Der Sondersatz für Hotelübernachtungen etc. steigt ebenfalls um einen Prozentpunkt, von 3.7 auf 3.8 Prozent. 

Ein Einkauf von 100 Franken kostet somit wegen der AHV-Finanzierung in Zukunft höchstens 40 Rappen mehr. Beim Einkauf von Lebensmitteln macht der Preisaufschlag für einen Warenkorb von 100 Franken höchstens 10 Rappen aus.

Gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde das Referendum ergriffen. Für die Annahme reicht eine Volksmehrheit, egal wie viele Kantone (Stände) sich dagegen aussprechen.

Konto-Endstand:
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer verschafft der AHV bis 2032 zusätzliche Einnahmen von schätzungsweise 12.4 Milliarden Franken. Zusammen mit den oben ausgeführten Einsparungen von rund 4.9 Milliarden ergibt das bis im Jahr 2032 eine Entlastung der AHV-Finanzen von etwa 17.3 Milliarden Franken. 

Nach Berechnungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen bleibt ein Finanzierungsbedarf von rund 1.2 Milliarden Franken. Das Parlament will diese Differenz in einer nächsten AHV-Reform decken.

Wer dagegen ist:

Gegen die AHV-Reform stellen sich die Parteien SP und Grüne. Ausserdem plädieren Gewerkschaften und Frauenverbände gegen die Reform.

Argumente der Gegnerinnen:

Die Gegnerseite erwartet zuerst eine tatsächliche Gleichstellung in der Arbeitswelt, bevor eine Rentenalterehöhung in Frage komme. Frauen seien im Rentenalter deutlich schlechter gestellt als Männer. Rentnerinne würden über alle drei Säulen hinweg 37 Prozent weniger Rente erhalten als Männer. Die Gründe sind für das Nein-Komitee klar: Frauen würden aus familiären Gründen öfter Teilzeit arbeiten, häufiger in Tieflohnbranchen und leisteten mehr unbezahlte Care-Arbeit. Heute ein Jahr früher in Pension zu gehen, sei als Kompensation zu den bestehenden Nachteilen in der Arbeitswelt zu verstehen. Zusätzlich komme die Erhöhung der Mehrwertsteuer in einer angespannten wirtschaftlichen Situation. Die AHV-Vorlage schwäche darum die Kaufkraft.

Wer dafür ist:

Sowohl Bundesrat wie auch Parlament sprechen sich für die Reform der Altersvorsorge aus. Die Parteien GLP, FDP, SVP und die Mitte setzen sich für ein Ja an der Urne ein. Dem schliessen sich Wirtschaftsakteure, wie der Schweizer Wirtschaftsverband economiesuisse an.

Argumente der Befürworterinnen:

Für die Ja-Seite sei der Reformbedarf bei der AHV unbestritten, da ohne Massnahmen die AHV bereits 2025 mehr Geld ausgeben würde als einnehmen. Ausserdem würde eine Erhöhung des Frauenrentenalters ein System, das sich auf ein veraltetes Rollenbild stütze, mordernisieren. Die Befürworterseite begrüsst, dass Personen ihren AHV-Bezug flexibel beziehen könnten. Mit der Reform könnten viele Erwerbstätige ihre Rente verbessern, wenn sie im AHV-Alter weiterarbeiten. Das sei ein Anreiz zum Weiterarbeiten und helfe nicht nur den AHV-Bezüger:innen selber, sondern auch der Wirtschaft, die dringend auf Fachkräfte angewiesen sei.



PS: Egal welcher Meinung du bist, nutze dein Stimmrecht und geh’ an die Urne.

PPS: Auch wenn man einen Brief öffnen und wieder abschicken muss, oder am Sonntag ins Abstimmungslokal gehen muss, nicht jede*r auf dieser Welt kann so viel mitbestimmen wie wir. Also sollten wir uns auch einen Tritt in den Arsch geben und es ernst nehmen.



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