Was haben Mahnmäler auf Instagram und Co. zu suchen?

Mahnmäler wollen aufrütteln, an die Geschichte erinnern und uns Vergangenes erlebbar machen. Aber wie fest dürfen solche Orte in den sozialen Medien inszeniert werden? Diese Frage stellt sich vor allem in geschichtsträchtigen Städten, wie Berlin eine ist. 

2017 veröffentlichte der Berliner Autor Shahak Shapira auf der Website yolocaust.de zwölf Bilder von Menschen, die Selfies von sich und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas gepostet haben. Darunter einige, die auf den Betonblöcken herumspringen oder dazwischen jonglieren. Shapira veröffentlichte jedoch nicht nur diese Bilder, sondern ergänzte sie mit einer bearbeiteten Version, wo diese Menschen vor Massengräber oder Bildern der Konzentrationslager stehen. 

Shahak Shapira wollte aufrütteln. Anhand dieser zwölf Menschen zeigen, dass dies der falsche Umgang mit einem Mahnmal ist. Respekt vor diesem Mahnmal aber auch vor den Ermordeten schaffen. Und er hatte Erfolg. Über 2.5 Millionen Menschen besuchten die Website und alle zwölf Personen meldeten sich bei ihm, löschten ihre Bilder von den sozialen Netzwerken und entschuldigten sich.  Im Gegenzug löschte auch Shapira ihre von der Website.

Geblieben ist jedoch eine Frage: 
Dürfen an solchen Orten gar keine Bilder gemacht werden? Ist dies ethisch nicht vertretbar? Oder soll so ein Denkmal nicht auch gezeigt werden? Um auch den Menschen, die nicht in Berlin sein können, dies näher zu bringen?

Diese Frage beschäftigte auch uns von rethink. Nach unserem Besuch in Berlin posteten wir beide ein Bild von uns im Denkmal. 

Bildunterschrift: Da sitze ich auf diesen Mahnmal, schaue in Richtung Deutscher Bundestag und frage mich, was genau sie aus dieser tragischen Geschichte nicht gelernt haben.

Bildunterschrift: Da sitze ich auf diesen Mahnmal, schaue in Richtung Deutscher Bundestag und frage mich, was genau sie aus dieser tragischen Geschichte nicht gelernt haben.

Ich bin überzeugt, dass es solche Bilder braucht. Im richtigen Kontrast auf jeden Fall. Bildunterschriften wie "Auf toten Juden herumspringen" (das stand unter einem Bild auf yolocaust.de) sind absolut inakzeptabel und schlichtweg idiotisch.
Dagegen können aber Posts mit aktuellem Bezug die Menschen wachrütteln. Das tun, was das Mahnmal sowieso tun will.
Und mit der aktuellen Politik - nicht nur, aber vorallem auch in Deutschland - kann so ein wachrütteln nie schlecht sein. 

Wir sprechen nur über Vergangenes, wenn es uns in Erinnerung bleibt.

Und darum stehe ich dazu, ein Bild von mir auf dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu veröffentlichen. Ich kann die verstehen, die das nicht befürworten. Ich kann die verstehen, die das nicht machen. Ich kann aber nicht verstehen, wie man ein Denkmal als Platz für einen Fotoshoot benutzt oder darin Verstecken spielt.

Der Besuch dieses Ortes war überwältigend, berührend und doch können wir nie das Leid verstehen, das all die Verstorbenen und Hinterbliebenen verspürt haben.

Das Einzige was wir tun können, ist zu verhindern, dass sich diese Geschichte wiederholt.
Und das tun wir nicht, indem wir über die Existenz von Mahnmäler schweigen.


©rethink-blog 2018

Oli Wingeier

Oli, findet alles Neue spannend und erstmal gut, ausser die neuen Rechten. Duscht jeden Morgen zu lange, besitzt mehr als tausend Notizbücher und zu viele Gedanken (oder umgekehrt).
Für rethink wühlt er sich jede Woche durch etliche Nachrichten und kreiert dann daraus eine Zusammenfassung der wichtigsten News. Zu lesen und hören als “Weekly”

https://instagram.com/oli.wingeier
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