Weekly, KW37

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Guten Abend aus der rethink-Redaktion.

Wir schauen heute nach Bundesbern, wo die erste Woche der Herbstsession zu Ende gegangen ist, erklären warum die Axpo Hilfe vom Bund beantragt hatte und wie ein Milliardär seine Firma losgeworden ist.


National- und Ständerat wollen raschen Kampfjet-Kauf.

Nach dem Ständerat hat am Donnerstag auch die grosse Kammer dem Bundesrat grünes Licht zur Unterzeichnung des Kaufvertrags für den neuen Kampfjet F-35A mit den USA gegeben. Ausschlaggebend waren Befürchtungen eines möglichen Verlust des Produktions-Slots, wenn der Vertrag nicht bis Ende März unterschrieben wird. 

Bedenken wegen der Volksrechte aufgrund der nicht abgewarteten Abstimmung über die im August eingereichten Initiative “Gegen den F-35 (Stopp F-35)” wies der Nationalrat mit Hinweis auf die Dringlichkeit der Unterschrift zurück.

Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative.

Das Parlament will mit Gesetzesbestimmungen schneller zum “Netto Null”-Ziel 2050 als es mit der Gletscher-Initiative und dem Umweg via Verfassung möglich wäre. Der Ständerat hat diese Woche die Vorlage aus dem Nationalrat gutgeheissen und dabei die Gelegenheit für eine Solar-Offensive genutzt. Geht es nach der kleinen Kammer, soll es eine Solarpflicht für neue Gebäude und erleichterte Bewilligungen für Photovoltaik-Grossanlagen auf freien Flächen in den Bergen geben. Sein Ziel ist, dass so rasch wie möglich in den Bergen mehr Strom für den Winter produziert werden kann. 

Grünes Licht für den Strom-Rettungsschirm.

Mit maximal 10 Milliarden Franken greift der Bundesrat den Stromunternehmen unter die Arme. Er hat den Rettungsschirm bereits aktiviert, weil der Stromkonzern Axpo darum ersucht hatte. Am Dienstag hat der Nationalrat die Vorlage im Grundsatz gutgeheissen, wie zuvor bereits der Ständerat. Der Bund müsse handeln, lautete der Tenor der Mehrheit. 

Hintergrund: 

Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass der Bundesrat dem grössten Stromunternehmen der Schweiz bis zu vier Milliarden Franken bereit hält, um kurzfristige Absicherungskosten zu gewährleisten.

Die Axpo begründet ihr Gesuch mit den grossen Preisanstiegen im Energiesektor. Axpo-CEO Christoph Brand erklärt die Situation im Gespräch mit SRF: “Wenn heute eine Firma den Strom für 2025 einkaufen will, zahlt sie 200 Franken pro Megawattstunde. Wer heute für jetzt Strom kaufen will, zahlt 650.-.”

Für Unternehmen sei es also attraktiv, längerfristig ihren Strombedarf einzukaufen. Schliesst ein Stromlieferant mit seinem Kunden einen Vertrag für das Jahr 2025 über 200 Franken pro Megawattstunde, und anschliessend steigt der Preis auf 300 Franken, muss der Lieferant die Differenz als Sicherheit hinterlegen. Das soll garantieren, dass der Kunde auf dem freien Markt mit den nun gestiegenen Preisen seinen Bedarf nachkaufen kann, falls das Stromunternehmen den vereinbarten Strom nicht liefern kann. Die Sicherheit fliesst wieder zurück, sobald der Strom geliefert wurde. 

Für Stromunternehmen bedeuten starke Schwankungen im Strompreis nun deutlich höhere Beträge, die als Sicherheit hinterlegt werden müssen. 

“Der Strompreis ist einfach gesagt von 100 auf 1000 Franken pro Megawattstunde gestiegen, das sind 900 Franken Sicherheitszahlungen pro Megawattstunde. Und die Axpo verkauft x-Millionen an Megawattstunden pro Jahr. Da kann sich jeder selber ausrechnen, dass das grosse Beträge ergibt.” so Brand weiter. Die Garantien werden zweimal pro Tag abgerechnet. Unternehmen müssen somit grosse Mengen an flüssigen Mitteln zur Verfügung haben. Ob und wie viel vom Vier Milliarden Darlehen die Axpo schlussendlich brauchen wird, ist offen. 

In mehreren anderen europäischen Ländern statteten die Regierungen die Stromkonzerne bereits mit Krediten aus. Andere Schweizer Stromproduzenten wie BKW oder Alpiq sehen zurzeit keinen Bedarf, um den Rettungsschirm beanspruchen zu müssen.

Billionaire no more.

“Kein Milliardär mehr”. So titelte die New York Times in ihrem am Mittwoch erschienenen Artikel. Die US-Zeitung berichtete als Erstes über die aussergewöhnliche Entscheidung, die der 83-jährige Yvon Chouinard beschloss. 

Chouinard kennen wohl nur wenige. Besser bekannt ist die Outdoor-Firma, die er vor rund 50 Jahren gegründet hat: Patagonia. 

Am Mittwoch gab er bekannt, dass er alle seine Anteile - inklusive die seiner Frau und Kinder - an der Firma Patagonia an eine gemeinnützige Stiftung abgibt. Patagonia hat nach Angaben der New York Times einen Wert von rund drei Milliarden Dollar. Alle Gewinne, geschätzt etwa 100 Millionen Dollar pro Jahr, die nicht ins Unternehmen reinvestiert werden, sollen künftig in den Kampf gegen Erderwärmung und Naturschutz fliessen.

“Ich wollte nie ein Unternehmer sein”, schreibt Chouinard in einem Statement. Der passionierte Kletterer stellte zuerst Kletterausrüstung für sich und seine Freunde her, bevor er in die Bekleidungsbranche einstieg. Dabei realisierte er, wie gross das Ausmass der globalen Erwärmung und der Umweltzerstörung ist, und welchen Anteil seine Firma Patagonia daran hatte. 

Chouinard wollte mehr von seinem Vermögen in die Bekämpfung der Umweltzerstörung stecken, dabei aber sicher gehen, dass die Firma Patagonia ihren Grundwerten treu bleibt. 

Die Lösung: 

Alle stimmberechtigten Anteile des Unternehmens gehen an den neugegründeten Patagonia Purpose Trust. Dessen Mitglieder stellen sicher, dass das Unternehmen seine Mission “Wir sind im Geschäft um unseren Heimatplaneten zu retten”, weiterhin einhält. Alle nicht stimmberechtigten Aktien gehen an das Holdfast Collective, eine gemeinnützige Organisation, die sich dafür einsetzt, die Umwelt- und Klimakrise zu bekämpfen und die Natur zu schützen. Die Mittel dazu kommen von Patagonia, der Gewinn wird als Dividende an das Collective ausgeschüttet.

Patagonia bleibt damit eine private und profitorientierte Firma. Ihr Gewinn wird jedoch nicht mehr dazu gebraucht, bereits reiche Menschen noch reicher zu machen, sondern den Planeten zu retten. 

Wie besonders der Schritt von Yvon Chouinard ist, zeigt ein Blick auf andere, die sich mit dem Label "Philanthrop" schmücken - wie Microsoft-Mitgründer Bill Gates. Auch wenn er in gute Zwecke investiert, hat er keine großen Teile seines Vermögens abgegeben, sondern in den vergangenen zehn Jahren sein Vermögen verdoppelt. Dass ein Unternehmer komplett zurücktritt und für den Kampf gegen Klimawandel auf alle Gewinne verzichtet, ist so bisher noch nicht passiert. Dabei verzichtet nicht nur der 83-jährige Gründer auf das Vermögen, sondern auch seine Frau Malinda und seine erwachsenen Kinder Fletcher und Claire, die eigentlichen Erben des milliardenschweren Unternehmens.

“Hoffentlich wird dies eine neue Form des Kapitalismus beeinflussen, die nicht mit ein paar Reichen und einem Haufen armer Leute endet”, sagte Chouinard gegenüber der New York Times. 


Redaktionsschluss: 17:00
Weekly 37/2022

Headerbild von Milad Fakurian via Unsplash

© rethink-blog 2022

Oli Wingeier

Oli, findet alles Neue spannend und erstmal gut, ausser die neuen Rechten. Duscht jeden Morgen zu lange, besitzt mehr als tausend Notizbücher und zu viele Gedanken (oder umgekehrt).
Für rethink wühlt er sich jede Woche durch etliche Nachrichten und kreiert dann daraus eine Zusammenfassung der wichtigsten News. Zu lesen und hören als “Weekly”

https://instagram.com/oli.wingeier
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