Weekly, KW 23
Guten Abend aus der rethink-Redaktion.
Heute schauen wir auf einen ungewollt internationalen Käse, die Untersuchungskommission im Fall der Credit Suisse und zeigen die Hintergründe zum Konflikt in Bergkarabach auf und wieso ein Friedensvertrag zustande kommen könnte.
Parlament untersucht Fall Credit Suisse.
Sie gilt als die “schärfste Waffe” des Parlaments, die parlamentarische Untersuchungskommission, die PUK. Erst viermal gab es eine solche Untersuchung in der Schweiz, seit Donnerstag ist klar: Im Fall der Credit Suisse folgt die Fünfte. Am Mittwoch hat sich der Nationalrat einstimmig für eine Untersuchung der notfallmässigen Fusion der CS mit der UBS ausgesprochen, einen Tag später folgte die kleine Kammer mit 37 zu 5 Stimmen.
Im Ständerat beantragte der FDP-Ständerat Thomas Hefti, keine PUK einzusetzen. Er argumentierte, dass eine Geschäftsprüfungsdelegation diesen Fall auch aufarbeiten könnte. “Die Geschäftsprüfungsdelegation verfügt nach Artikel 166 des Parlamentsgesetzes über die gleichen Informationsrechte wie eine PUK. Die Frage, ob eine PUK eingesetzt werden soll oder nicht oder ob man sich der ordentlichen Mittel bedienen soll, ist somit eine legitime Frage; man kann sie immer stellen.”
Diesen Antrag lehnte der Ständerat aber deutlich ab.
Eine gründliche Aufarbeitung der Geschehnisse sei notwendig und sinnvoll, lautete der Tenor in Bundesbern. So etwa die Grüne-Fraktionspräsidentin Aline Trede im Nationalrat: “Was wir nicht genau wissen, ist, ob diese Vorlage, die Too-big-to-fail-Gesetzgebung, nicht gereicht hat oder ob sie nicht richtig angewendet wurde. Dem müssen wir detailliert nachgehen, und zwar mit allen Stellen, allen Betroffenen, allen Stakeholdern, die irgendwie mit dieser CS-Krise zu tun hatten oder in sie involviert waren.
Die finanziellen Beiträge, die wir hier sprechen mussten, sind viel zu gross, als dass wir einfach zum Courant normal zurückkehren könnten. Das Büro-N hat einstimmig beschlossen, eine PUK einzusetzen. Wir beschliessen selten einstimmig, das ist schon eine Aussage.”
Die PUK besteht aus 14 Mitgliedern, je die Hälfte aus National- und Ständerat. Sie sollen im Zusammenhang mit der CS-Krise die Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe klären. Konkret könnten dabei Fragen gestellt werden wie: Haben die Institutionen funktioniert? Hat die Finanzmarktaufsicht Finma ihren Job gemacht? Auch die Rolle des Bundesrates könnte zur Sprache kommen. Mit der jetzigen Aufarbeitung soll eine Situation wie mit der Credit Suisse in der Schweiz verhindert werden.
Mitte März holte eine Vertrauenskrise die zweitgrösste Bank der Schweiz ein und sorgte für massive Abflüsse von Kundengeldern. Es zeichnete sich ein grösseres Beben am internationalen Finanzmarkt ab. Die offizielle Schweiz reagierte auch auf Druck der Finanzminister aus Grossbritannien und den USA und fädelte übers Wochenende per Notrecht einen Deal mit der UBS ein, der grössten Bank des Landes. Sowohl Bund wie auch die Schweizerische Nationalbank sicherten der UBS Sicherheitsgarantien in Milliardenhöhe zu. Morgen Montag wird die CS Group AG aufgelöst und in die UBS übernommen. Wenn die US-Aufsichtsbehörde einwilligt, wird die Aktie der Credit Suisse per 13. Juni von der Börse abgezogen.ngen kann.
Was jetzt passiert:
Voraussichtlich nächsten Mittwoch wählen die beiden Ratsbüros die Mitglieder PUK. Die Parteien werden nach Grösse ihrer Fraktion entsprechend in der Kommission vertreten sein. Wer das Präsidium der PUK übernehmen wird, ist ebenfalls noch offen. Einer geht gleich “all in”: Nationalrat Roger Nordmann verzichtet auf sein Amt als Präsident der SP-Fraktion, um für die PUK zur Verfügung zu stehen. Doch auch die Mitte-Fraktion, die Grünen und Grünliberalen machen ihren Anspruch auf das Präsidium geltend. Ganz verzichten auf eine Kandidatur fürs PUK-Präsidium will die Partei von Finanzministerin Karin Keller-Sutter, die FDP.
Bergkarabach: Bröckeliger Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien.
Bergkarabach ist ein kleiner, gebirgiger Landstrich im südlichen Kaukasus. Rund 120’000 Menschen leben dort. Völkerrechtlich gehört das Gebiet zu Aserbaidschan, es wird aber hauptsächlich von Armenier:innen bewohnt und auch von Armenien beansprucht. Seit über einem Jahrhundert dauert nun der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien über Bergkarabach an. In den letzten Wochen zeichnete sich ein Friedensabkommen ab.
Hintergrund:
1991 erklärte die Republik Bergkarabach ihre Unabhängigkeit, Aserbaidschan sprach der Region ihren autonomen Status aber daraufhin ab. Zwischen 1988 und 1994 forderte der bewaffnete Konflikt tausende Tote. In den Jahrzehnten kam es immer wieder zu Spannungen. Im November 2020 vermittelte Russland nach sechs Wochen Krieg in der Regionen einen Waffenstillstand und schickte sogenannte Friedenstruppen in die Region. Diese sind bis heute dort stationiert.
Als grösster und mächtigster Akteur im postsowjetischen Raum pflegt Russland seit dem Zerfall der UdSSR enge Beziehungen sowohl zu Armenien als auch Aserbaidschan, in der Bergkarabach-Frage steht Moskau aber auf der Seite Armeniens.
Doch Russland habe keinerlei Interesse an einer Konfliktlösung, sagte Politikexperte Hannes Meissner im ntv-Podcast “Wieder was gelernt”. Es gehe Moskau darum, den Streit einzufrieren und die Region dauerhaft instabil zu halten, so Meissner.
Doch Russland ist durch seinen Angriff auf die Ukraine stark geschwächt und Armenier:innen fürchten gravierende Konsequenzen für ihr Land. Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Armenien und Aserbaidschan kommen, ist Armenien deutlich unterlegen. So hat sich die armenische Regierung in der derzeit schwierigen geopolitische Lage dazu bereit erklärt, die Region Bergkarabach an Aserbaidschan abzugeben - unter der Bedingung, dass Aserbaidschan die Sicherheit der armenischen Bevölkerung garantieren und ihre Rechte anerkennen wird.
In Armenien mache sich nun eine “fatalistische Stimmung” breit, berichtet der Postsowjetexperte Meissner aus der Hauptstadt Jerewan. Viele Menschen in dem 2.7 Millionen-Einwohner-Land fühlten sich von der eigenen Regierung und Russland verraten. Aserbaidschan werde nie die Rechte der armenischen Bevölkerung in Bergkarabach respektieren, sind ihre Befürchtungen. Schätzungsweise 40’000 Menschen sind im Zuge des Konflikts seit Ende der 1980er Jahren bereits gestorben. Die Armenier:innen ahnen, es könnten noch mehr werden, sollte Aserbaidschan die alleinige Kontrolle über Bergkarabach bekommen.
Bereits heute ist das letzte von Armenien kontrollierte Teilstück komplett von Aserbaidschan umschlossen und von Armenien aus nur über den sogenannten Latschin-Korridor erreichbar. Dieses Nadelöhr wird seit Ende vergangenen Jahres von Aserbaidschan blockiert. Die 120’000 Einwohner:innen in Bergkarabach können deshalb kaum noch mit dem Nötigsten versorgt werden, Lebensmittel- und Medikamentenknappheit sind zu einem grossen Problem geworden.
Was jetzt passiert:
Für Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan ist klar, dass Russland nicht mehr einfach auf seiner Seite steht. Der Druck auf ihn steigt, ein Friedensvertrag ist auch für ihn offensichtlich eine Chance in dem erbitterten Konflikt. Doch die armenischen Bedingungen, etwa die Rechte und Sicherheit von Armenier:innen in Karabach, ihren politischen Status, Sprache und Kultur zu schützen, stösst in Aserbaidschan nicht auf Begeisterung. Aserbaidschans Premier Ilham Alijew bezeichnete Bergkarabach als “unsere innere Angelegenheit". Die Menschen dort sollten entweder die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit akzeptieren oder sich einen anderen Ort zum Leben suchen.
Ein Friedensabkommen wäre also ein sehr grosses, kompliziertes Paket. Und es ist schon deshalb schwer zu schaffen, weil neben Armenien und Aserbaidschan so viele weitere Staaten Interessen in der Kaukasusregion haben. Neben Russland und der Türkei auch die Europäische Union. Die EU hat auf Bitten Armeniens seit Februar eine symbolische Beobachtermission in der Grenzregion zwischen den zwei Staaten. Klar ist aber auch: Moskau will nicht einfach mit ansehen, wie es Armenien möglicherweise an den Westen verliert. Ein Friedensvertrag müsste zumindest danach aussehen, als hätten alle etwas gewonnen. Und das dürfte schwierig werden.
Was ein Käse: Emmentaler muss nicht zwingend aus dem Emmental kommen.
Wie ein Emmentaler Käse aussieht und schmeckt, dürfte vielen bekannt sein: Ungefähr kirschgrosse, regelmässig im Käseteig verteilte Löcher, im Sommer hellgelb, im Winter elfenbeinfarben und der typische Geschmack geht von säuerlich, süss, über leicht würzig. Und die Milchproduzent:innen müssen sich auf einem Gebiet befinden, das sich vom Kanton Thurgau bis nach Fribourg erstreckt.
Das zumindest sind die Vorgaben der Branchenorganisation Emmental Switzerland. Und geht es nach dieser, dürfen Käselaibe auch in der EU nur Emmentaler heissen, wenn sie diese Bedingungen erfüllen und im beschriebenen Gebiet auf Schweizer Boden produziert werden. Die Europäische Union sieht das allerdings nicht so.
Hintergrund:
Emmental Switzerland hat beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) beantragt, dass der Name Emmentaler als geografisch an das Emmental gekoppelten Käse eingetragen wird. Käse aus anderen Regionen, müssten diese auf der Verpackung nennen - etwa “Allgäuer Emmentaler”.
Das Patentamt in Madrid entschied allerdings, dass Emmentaler einfach eine Art ist, Käse zu machen - unabhängig von der Herkunft. Gegen diesen Entscheid klagte die Branchenorganisation am Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxembourg. Dessen Richter:innen stellten sich auf die Seite der EU-Behörde und wiesen darauf hin, dass Konsument:innen in der Europäischen Union Emmentaler als Käsesorte wahrnehmen und nicht als geografische Herkunftsangabe. Damit könne der Begriff nicht geschützt werden. Etwa im deutschen Allgäu oder Frankreich gebe es auch Käsesorten, die Emmentaler genannt werden.
Was jetzt passiert:
Die Emmentaler kämpften nun schon in Madrid und Luxembourg erfolglos um ihren Markenschutz, doch zwei Wege stehen noch offen: Der Entscheid des EuG könnte eine Instanz weiter an den Europäischen Gerichtshof gezogen werden. Die Chancen von Emmental Switzerland dürften dabei aber gering sein.
Grössere Chancen kann sich die Branchenorganisation von den Vereinten Nationen erhoffen. Bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum haben die Emmentaler:innen einen ähnlichen Antrag wie bei der EU eingereicht. Sie verlangen, dass der Emmentaler Käse eine weltweit schützenswerte geografische Ursprungsbezeichnung sei. Um das zu ermöglichen, ist die offizielle Schweiz auf Wunsch der Emmentaler sogar der Genfer Akte beigetreten. Die Genfer Akte ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der geografische Ursprungsbezeichnungen besser schützen soll.
Es besteht also noch Hoffnung für die Schweizer Emmentaler Produzent:innen. Vor allem ist der Sitz der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf. Geografisch zumindest schon mal deutlich weniger weit weg vom Emmental als Madrid oder Luxembourg.
Abstimmung am 18. Juni.
Nächsten Sonntag entscheidet das Schweizer Stimmvolk über drei nationale Vorlagen. Falls du noch nicht abgestimmt hast und noch mehr wissen willst um was es genau geht, haben wir die Antwort:
In unserem Abstimmungsdossier sind alle drei Vorlagen einfach zusammengefasst in nur fünf Minuten Lesezeit.
Das Abstimmungscouvert kannst du übrigens bis am Dienstag noch garantiert per Post abschicken, danach bei der Gemeinde einwerfen oder am Sonntag direkt an die Urne gehen. Denn: Wenn wir schon abstimmen können, sollten wir davon auch Gebrauch machen.
Das war’s von uns für diese Woche, vielen Dank für dein Vertrauen. Wir lesen uns nächsten Sonntag.
Redaktionsschluss: 15:20
Weekly 23/2023
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